Kollagen kennen einige sicherlich als Inhaltsstoff in Gesichtscremes, die eine straffere Haut versprechen. Aber was bewirkt es, wenn man Kollagen-Pulver zu sich nimmt?
Kollagen soll die Haut straffen: Das versprechen zumindest einige Werbeslogans von Gesichtscremes. Aber was bewirkt Kollagen, wenn man es in Form von Pulver zu sich nimmt? Neben verjüngter Haut soll es Muskeln, Knorpel, Nägel und Haare stärken und unter anderem auch gegen Cellulite helfen können, weil es das Bindegewebe unterstützen können soll. Dr. med. Katharina Herberger, unter anderem ehemalige Dermatologin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Gründerin der Praxis „Kompetenzzentrum Haut“, erklärt dem stern, was Kollagen-Pulver wirklich kann und was man bei der Einnahme von derartigen Nahrungsergänzungsmitteln beachten sollte.
Was ist Kollagen?
Zuerst ist es wichtig zu wissen, was Kollagen überhaupt ist – und dass es unterschiedliche Varianten davon gibt. Dazu sagt Dr. med. Katharina Herberger: „Biologisch gesehen ist Kollagen ein Baustein unseres Stützfasergewebes. Es ist der Grundbaustein für den Hautaufbau und die Elastizität.“ Es komme im Körper an vielen unterschiedlichen Stellen vor. Haut besteht dabei überwiegend aus Kollagen Typ I, Knorpel enthält Kollagen vom Typ II.
Weiter erklärt die Dermatologin: „Chemisch gesehen sind Kollagene Proteine. Diese bestehen aus einzelnen Aminosäuren. Diese Bestandteile braucht es also auch, um Kollagen aufbauen zu können.“ Das könne der Körper von selbst. Dennoch möchten manche Menschen dem Körper zusätzlich Bausteine zur Verfügung stellen, um die Produktion möglicherweise anzukurbeln.
In Nahrungsergänzungsmitteln wie Kollagen-Pulver findet Kollagen in der Regel als wasserlösliches Kollagenhydrolysat Verwendung, das aus Schlachtabfällen wie der Haut oder den Knochen von Schweinen und Rindern gewonnen wird. Bei der Hydrolyse werden die Kollagene bereits in kleinere Bruchstücke, sogenannte Kollagen-Peptide, zerlegt. Aber auch Kollagen-Pulver mit Zusätzen aus Geflügel- und Fischresten gibt es auf dem Markt.
Wie wirkt Kollagen-Pulver im Körper?
Wenn der Körper selbst Kollagen produziert, was bringen dann Produkte wie Kollagen-Pulver? Altersbedingt kommt es zum natürlichen Abbau und es wird weniger Kollagen vom Körper produziert. Die Folge sind unter anderem eine schlaffere Haut oder Gelenkprobleme. Produkte wie Kollagen-Pulver, das man etwa in Nahrungsmittel wie Joghurt mischen, als Smoothie, Shake oder im sogenannten Glow Coffee zu sich nehmen kann, versprechen, dass das enthaltene Kollagen an „defekten“ Stellen im Körper (wie Haut oder Gelenkknorpeln) als Baustein zur Reparatur eingesetzt wird. So einfach ist das aber nicht, wie die Expertin erklärt.
„Die Idee, Kollagen einzunehmen, rührt daher, dass man davon ausgeht, dass sich das Kollagen durch die zusätzliche Einnahme dahin setzt, wo es hinsoll. Wir denken also, wir könnten diesen Prozess beeinflussen. Tatsächlich ist es aber so, dass der Darm glücklicherweise alles, was wir zu uns nehmen, in die kleinsten Bestandteile zerlegt. Das ist gut, weil wir auch sehr viel Ungutes zu uns nehmen.“ Allerdings: „Der Körper zerlegt auch das eingenommene Kollagen beim Verdauungsprozess komplett in seine Kleinstbestandteile und es wird dann über die Blutbahnen dorthin transportiert, wo es benötigt wird. Allerdings funktioniert das nicht wie bei einem Baustein-Auto, das durch die neuen Bausteine genauso zusammengebaut werden kann, wie es mal war. Im Körper lässt sich das nicht steuern.“
Es gibt zwar Studien, die eine Verbesserung der Faltentiefe und Hautelastizität durch die Einnahme von Kollagen(hydrolysat) zeigen. Dass Nahrungsergänzungsmittel wie Kollagen-Pulver Wirkung zeigen können, ist somit nicht ausgeschlossen. Dass diese Veränderungen mit dem bloßen Auge erkennbar sind, sei aber nicht nur laut Expertin fraglich.
Herberger steht dem Thema Studien zum Thema Kollagen generell kritisch gegenüber: „Zum einen braucht man eine gute Kontrollgruppe, um die Wirkung von Kollagen auf die Haut nachweisen zu können. Wenn man eine Gruppe hat, die Kollagen einnimmt, braucht es eine zweite, vergleichbare Gruppe, die das nicht tut.“ Viel wichtiger findet sie aber, dass die Ernährung generell bei solchen Untersuchungen einbezogen werden sollte. „Kollagene sind Proteine. Wenn Probandinnen oder Probanden generell eine eiweißarme Ernährung haben und dann Kollagen zu sich nehmen, zeigt sich natürlich eine Verbesserung der Hautgesundheit.“ Aussagekräftiger sei es, zwei Gruppen mit proteinreicher Ernährung aufzustellen und einer davon zusätzlich Kollagen zuzuführen, um auf dessen explizite Wirkung eingehen zu können.
Zudem sei es wichtig, die Beobachtungszeit solcher Studien zu verlängern. Sechs bis zwölf Monate seien das Minimum, erklärt Herberger. Alle, die eine geringere Zeitspanne hätten, seien zu vernachlässigen. Darüber hinaus seien die Messmethoden wichtig und sollten nicht subjektiver Natur sein. „Es gibt Studien, die eine positive Wirkung belegen. Ob es am Ende aber nur mit dem Kollagen zu tun hat und ob diese Effekte langfristig sind, ist noch nicht geklärt.“ Repräsentative und aussagekräftige Studien seien schwierig durchzuführen.
Die EU hat nach Prüfung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gesundheitsbezogene Angaben über Kollagen in Lebensmitteln, die sich auf eine verbesserte Hautstruktur und Gelenkgesundheit beziehen, aufgrund mangelnder wissenschaftlicher Beweise abgelehnt. Häufig basiert die Einnahme derartiger Produkte also eher auf der Hoffnung, etwas bewirken zu können.
Kollagen-Pulver: Was sollte man bei Kauf und Einnahme beachten?
Schädlich sind die Produkte in der Regel nicht. Man sollte allerdings darauf achten, ob man Produkte vom Schwein zu sich nehmen möchte oder darf oder ganz auf tierische Inhalte verzichtet. Veganes Kollagen gibt es zwar nicht. Produkte, die als vegan bezeichnet werden, enthalten in der Regel aber einen Mix der Aminosäuren Glycin, Prolin, Hydroxyprolin und L-Lysin. Diese können auch zur Kollagen-Produktion hilfreich sein, weil sie passende Bausteine dafür liefern.
„Vitamin C wird ebenfalls für die Kollagen-Produktion gebraucht“, erklärt die Dermatologin. Eine Zufuhr könne also hilfreich sein, sofern man diese Bausteine nicht über die Ernährung abdecken kann. „So wie man auch Vitamin C oder Zink nimmt, um dem Körper bei einer Erkältung eine stärkere Abwehr zu ermöglichen.“ Die Vitamin- und Proteinzufuhr kann über die Ernährung ebenso abgedeckt werden.
Zur Einnahme der Nahrungsergänzungsmittel: Mehr als 15 Gramm Kollagen-Pulver solle man laut vielen Herstellern täglich nehmen, um möglicherweise Ergebnisse sehen zu können. Im Kaffee sind das etwa zwei Esslöffel. Diese rührt man ein, bis sich das Pulver gelöst hat. Weder Hitze noch Koffein würden den möglichen Effekt stören. Wem die Einnahme des Pulvers beispielsweise unterwegs zu umständlich ist, der oder die kann auch auf Kapseln zurückgreifen, in denen Kollagen und andere Zusätze enthalten sind.
Kann die Einnahme von Kollagen-Pulver gefährlich sein?
Produkte mit Kollagen können allergische Reaktionen und Unverträglichkeiten auslösen, etwa bei Menschen mit einer Fischallergie, wenn das Kollagen aus Fischhäuten hergestellt wurde. Solche Allergene müssen gekennzeichnet sein. Weiterhin können auch die häufig zugesetzten Stoffe wie Nicotinamid bzw. Nicotinsäure (Vitamin B3) problematisch sein, die bei zu hoher Aufnahme Unverträglichkeitsreaktionen wie Gesichtsrötungen und Hitzewallungen auslösen können. Nicht mehr als vier Milligramm Nicotinsäure,160 Milligramm Nicotinamid oder 4,4 Milligramm Inosithexanicotinat (Inositolniacinat) pro Tagesdosis sollten enthalten sein.
Achten Sie zudem darauf, dass am besten keine Aufnahmeverstärker wie Piperin, ein Extrakt aus schwarzem Pfeffer, enthalten ist. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sollten Erwachsene nicht mehr als zwei Milligramm isoliertes Piperin pro Tag über Nahrungsergänzungsmittel aufnehmen. Schwangere sollten diesen Inhaltsstoff gar nicht zu sich nehmen.
Wer Kollagen-Pulver zu sich nehmen möchte, kann das unter Berücksichtigung der Hinweise aber problemlos tun. Man sollte aber nie die empfohlene Menge des Herstellers überschreiten. Die Expertin findet allerdings: „Man möchte ja schon wissen, was man zu sich nimmt. Kollagen-Pulver wird aus Schlachtabfällen und Knochen gewonnen, das normalerweise nicht weiterverarbeitet wird − außer vielleicht für Hundefutter. Ich selbst würde das nicht essen wollen. Man sollte schon genau gucken, was in diesen Produkten enthalten ist − und generell wären mir vegetarische Produkte lieber.“ Notwendig sind sie aber nicht, wenn man sich ausgewogen und vor allem proteinreich ernährt.
Verschiedene Autoren haben in Büchern, wie beispielsweise dem Titel „Kollagen – Die 28-Tage-Diät„, explizit aufgelistet, mit welchen Lebensmitteln man Kollagen über die Ernährung zu sich nehmen kann. Dr. med. Katharina Herberger sagt dazu: „Hier ist die Frage, ob man sich tierisch oder pflanzlich ernähren möchte, wobei es durch tierische Produkte etwas einfacher ist, Proteine und explizit Kollagen zu sich zu nehmen.“ Fische wie Lachs und Thunfisch, Fleisch wie Geflügel oder Rind seien geeignet. Aber auch pflanzliche Quellen wie Hülsenfrüchte, Samen, Nüsse, Getreide, Samen, Blattgemüse und andere. Bestenfalls nehme man 100 Gramm Eiweiß zu sich. „Man sollte dazu auch Vitamin C zuführen, zum Beispiel durch Paprika oder Zitrusfrüchte, ebenso Zink.“
Abschließend sagt die Dermatologin: „Wenn man sich über Themen wie Longevity und Hautgesundheit Gedanken macht, ist es generell sinnvoll, sich über die Ernährung zu informieren. Da hört es bei Proteinen nicht auf, sondern es gehören auch essentielle Fettsäuren und andere Dinge mit dazu.“ Zudem gebe es wissenschaftlich bewiesene Maßnahmen, um Kollagen zu stimulieren, etwa durch professionelle Geräte beim Facharzt oder der Fachärztin, etwa Radiofrequenzmikroneedling. Zudem seien Helfer wie Retinol nachgewiesen effektiv, um Kollagen in der Haut vermehren zu können. „Das kann sinnvoller investiertes Geld sein als es für Nahrungsergänzungsmittel auszugeben.“
Hinweis: Der Artikel wurde erstmals im März 2021 veröffentlicht und wurde seitdem mehrfach geändert.
Verwendete Quelle: „JDD„