Fehlendes Kapital, bürokratische Hürden und Fachkräftemangel – die aktuellen Bedingungen behindern Gründungen. Helfen würde aus Sicht der Hochschulen vor allem eines.
Thüringens Hochschulen sehen Verbesserungspotenzial beim Gründungsklima. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den größten Hochschulen des Landes.
Es würden längst nicht alle Erkenntnisse und Innovationen „unmittelbar in die Praxis übertragen“, heißt es aus Jena. Kritischster Engpass für die meisten Gründenden seien nach einer ersten Anschubfinanzierung durch Förderprogramme von Bund und Land oft fehlende Investitionen durch weitere Geldgeber.
Der Übergang im wirtschaftlichen Umfeld sei schwierig, so auch ein Sprecher der Hochschule Schmalkalden. Hinzu komme erheblicher administrativer Aufwand für größere Förderprogramme der Länder, des Bundes und der EU. Das sei „für den Gründungsservice einer kleineren Universität oftmals eine große Herausforderung“, heißt es von der Uni Erfurt.
In Jena und Erfurt gab es im vergangenen Jahr sechs Ausgründungen. 2022 waren es noch 15. Auch der Fachkräftemangel und die hohe Nachfrage nach Arbeitskräften machten Gründungen weniger attraktiv, heißt es dazu von den beiden Hochschulen. Viele Absolventen und Absolventinnen scheuten das Risiko einer Unternehmensgründung und würden stattdessen lieber gut dotierte Anstellungen bevorzugen, so eine Sprecherin der Uni Jena.
Gründerservices fehlt Planungssicherheit bei Finanzierung
Verbesserungspotenzial sehen die Hochschulen vor allem im Aufbau weiterer Finanzierungsmöglichkeiten, etwa durch öffentliche Co-Investments, und im Abbau bürokratischer Hürden, beispielsweise bei der Anmeldung und Genehmigung von Patenten. Wichtig sei aber auch die ausreichende Finanzierung der Gründungsservices der Hochschulen, die die Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeiter bei ihren Vorhaben unterstützen.
In Nordhausen etwa, wo der hochschuleigene Gründungsservice „hike“ allein in diesem Jahr 16 Gründungen unterstützt hat, sorgt man sich nach dem Auslaufen der aktuellen Förderung durch das Bundesbildungsministerium um den Erhalt der entstandenen Strukturen und die Stellen von vier Mitarbeitenden. Denn es sei unklar, in welcher Höhe das Land das Projekt weiter finanziert.
„Wir kommen jetzt gerade dahin, dass wir an vielen Stellen noch stärker mit Stadt, Landkreis, auch im Unternehmerverband zusammenarbeiten“, so „hike“-Gründer und Professor für Digitales Management Lutz Göckel. Wenn es nun nicht weitergehe, gehe ein wichtiges Momentum verloren. An der Uni Erfurt hat man sich deshalb in diesem Jahr entschieden, eine zuvor mit Bundesmitteln finanzierte Stelle zu entfristen und damit dauerhaft zu finanzieren. Zur langfristigen Sicherung hofft man aber auch dort auf „weitere strukturelle Förderung vom Land“.
Die Thüringer Brombeer-Koalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, „die Unterstützung der Hochschulen bei Gründungsinitiativen“ auszubauen. Die Verhandlungen um den kommenden Doppelhaushalt haben in dieser Woche begonnen.
Jenaer Hochschulen künftig Teil mitteldeutscher Start-up-Factory
In Jena freut man sich indes um eine Beteiligung am hochschul- und länderübergreifenden Leuchtturmprojekt „boOst“. Die „Start-up-Fabrik“, die aus einem Konsortium sächsischer Hochschulen unter Beteiligung der FSU Jena und der Ernst-Abbe-Hochschule Jena besteht, soll bis 2030 die Zahl der Gründungen in Sachsen und Thüringen verdoppeln – mit Fokus auf besonders innovative Technologien, im Startup-Jargon auch „Deep Tech“ genannt. Das Projekt werde mit bis zu zehn Millionen Euro vom Bund gefördert, heißt es in einer Mitteilung der FSU Jena. Hinzu komme ein mindestens ebenso großer Betrag durch Projektpartner aus der Industrie.