Kommunalfinanzen: Kommunen in Finanznot – Können Kitas kostenfrei bleiben?

Die finanziell guten Jahre scheinen für die Kommunen zunächst vorbei zu sein. Sie schreiben immer häufiger rote Zahlen – und kommen zu radikalen Ideen. Die kostenfreie Kita steht zur Disposition.

Die Bürgermeister Mecklenburg-Vorpommerns haben sich angesichts zunehmender Finanznot ihrer Kommunen mit einem Hilferuf und klaren Forderungen an die Regierungen in Land und Bund gewandt. In einem fünfseitigen Positionspapier, das der Städte- und Gemeindetag auf einer Konferenz in Schwerin verabschiedete, machen sie ihre Erwartungen deutlich. Zudem dringen sie auf einen neuerlichen Kommunalgipfel, bei dem mit der Landesregierung über Lösungen beraten werden soll. 

„Insbesondere bei der Eingliederungshilfe und der Kindertagesbetreuung darf es keine Tabus geben“, heißt es wörtlich. Auch über die Wiedereinführung moderater Elternbeiträge für Kitas müsse nachgedacht werden. Das hatte die rot-rote Landesregierung aber bereits abgelehnt.

Galoppierende Ausgaben bei schwindenden Einnahmen

Gefordert wird, das Förderwesen grundlegend zu modernisieren – mit dem Ziel, Geld, Zeit und Personal zu sparen. Galoppierende Ausgaben bei gleichzeitig schwindenden Einnahmen würden die Kommunalhaushalte zunehmend in Schwierigkeiten bringen. „Die Finanzlage wird immer prekärer“, sagte der Vorsitzende des Städte- und Gemeindetags, Wismars Bürgermeister Thomas Beyer. Wenn nicht schleunigst die Weichen neu gestellt würden, müssten wichtige Bauprojekte zurückgestellt und bei freiwilligen Leistungen für Kultur und Sport gekürzt werden.

Nach acht Jahren mit Millionenüberschüssen waren die Kommunen im Nordosten 2023 insgesamt erstmals wieder ins Minus geraten. 2024 wuchs das Gesamtdefizit auf 280 Millionen Euro an. Für das laufende und die kommenden Jahre müssen sich die Kommunen laut Beyer auf weiter wachsende Löcher in den Etats einstellen. Als Gründe nannte der SPD-Politiker unter anderem steigende Personalausgaben und höhere Sozialleistungen bei gleichzeitig fehlenden Einnahmen.

Auch Landkreise geraten ins Minus 

Auch die Landkreise, die ihre Verwaltungsaufgaben über die sogenannte Kreisumlage der Kommunen finanzieren, kommen zunehmend in Not. Erst zu Wochenbeginn beschloss der Kreistag von Vorpommern-Greifswald einen Nachtragshaushalt für 2025. Statt eines ursprünglich erwarteten Überschusses von drei Millionen Euro weist der Etat nun ein Minus von rund 71 Millionen Euro aus. Dennoch wurde mit Rücksicht auf die Kommunen die Kreisumlage gesenkt. 

Der Vorsitzende des Finanzausschusses im Kreistag, der CDU-Politiker Sascha Ott, bezeichnete die finanzielle Situation des Landkreises als katastrophal. „Wir brauchen nicht nur Konsolidierung. Wir brauchen einen Systemwechsel. Sparen muss wieder Tugend werden“, mahnte er. Auch Ott äußerte sich kritisch zu den hohen Kosten der für Eltern beitragsfreien Kinderbetreuung. 

Elternbeiträge für die Kita 

Grevesmühlens Bürgermeister Lars Prahler, forderte Entlastung durch Bürokratieabbau und warb für die Erhebung einer Gebühr von 50 Euro je Kita- oder Hortplatz. Das könne helfen, die Kostensteigerungen beim Personal aufzufangen und Eltern dazu bewegen, den Betreuungsbedarf real anzugeben. Vielfach würden die angemeldeten Betreuungszeiten gar nicht genutzt, die Erzieher aber müssten vorgehalten werden, sagte Prahler. 

Seit 2020 ist der Kitabesuch in MV für Eltern kostenfrei. Land und Kommunen wenden dafür laut Städtetag inzwischen etwa eine Milliarde Euro jährlich auf.

Zensus-Ergebnis und Wirtschaftsflaute schmälern Einnahmen 

Neben den konjunkturbedingt geringeren Steuereinnahmen mache den Kommunen vor allem das Ergebnis des jüngsten Zensus, früher Volkszählung, zu schaffen, der deutlich geringere Einwohnerzahlen ergeben hatte. „Weniger Köpfe bedeuten weniger Mittelzuweisungen“, erklärte Beyer. Insgesamt müssten sich die Städte und Gemeinden darauf einstellen, dass bei den sogenannten Schlüsselzuweisungen vom Land ein Drittel weniger Geld kommt, als bislang erwartet – 2026 etwa 756 Euro statt 1.170 Euro je Einwohner. 2024 habe der Wert mit 1.019 Euro noch fast im Soll gelegen. 

Sondervermögen Infrastruktur des Bundes pragmatisch umsetzen 

Nach der neuerlichen Zusicherung gezielter Investitionen in die kommunale Infrastruktur durch Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) fordert der Städte- und Gemeindetag möglichst einfache Vergaberegeln. „Sondervermögen Infrastruktur des Bundes pragmatisch umsetzen und Vergaberecht umfangreich entschlacken“, heißt es dazu im Positionspapier.

„Der Investitionsbedarf ist riesig. Mit seinem 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen hat der Bund hohe Erwartungen geweckt. Nun muss das Geld zügig eingesetzt werden, damit die Bürger auch die Effekte sehen“, sagte Städtetag-Geschäftsführer Andreas Wellmann. In Städten und Dörfern seien die Auswirkungen politischer Entscheidungen unmittelbar zu spüren und mit dem Erlebten wachse oder schwinde das Vertrauen der Menschen in die Demokratie. „Die Kommunen sind das Fundament. Und wenn das stabil ist, steht auch das Haus darüber sicher“, sagte Wellmann. 

„Wir wissen vor Ort am besten, wo Investitionen am dringendsten sind und plädieren deshalb für eine Pro-Kopf-Pauschale. Das schlimmste Szenario wäre die Aufteilung der Gelder auf 100 Förderprogramme mit endlosen Antragsverfahren“, sagte der Vorsitzende des Städtetags, Beyer. 

Hilfe bei Sanierung von Straßen, Brücken, Schultoiletten 

Finanzminister Klingbeil hatte in seiner Haushaltsrede im Bundestag versprochen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland die Folgen des staatlichen Investitionsschubs bald spüren werden. Finanzhilfe vom Bund gebe unter anderem bei der Beseitigung von Schlaglöchern, der Sanierung von Schultoiletten oder der Erneuerung von Brücken. 

Die zusätzlichen Investitionen sollen vor allem durch wesentlich höhere Schulden finanziert werden. 100 Milliarden Euro aus dem 500-Milliarden-Sondervermögen sollen in den kommenden zwölf Jahren an die Länder geben, um auch kommunale Infrastrukturprojekte zu finanzieren. Mecklenburg-Vorpommern kann dabei mit etwa zwei Milliarden Euro rechnen.