Waldbrand: „Großer, roter Feuerball“ – Brand in der Gohrischheide

Hunderte Menschen müssen vor dem Waldbrand im Norden Sachsens fliehen. Sie lassen ihre Häuser im Ungewissen zurück. Die Situation ist unübersichtlich und gefährlich.

Die Lage beim Waldbrand in der Gohrischheide an der Grenze zwischen Sachsen und Brandenburg spitzt sich zu. Auffrischende Winde und munitionsbelastete Erde erschweren den Einsatzkräften die Brandbekämpfung. Die Situation ist für hunderte Menschen derart bedrohlich geworden, dass die Behörden sie auffordern, ihre Häuser zu verlassen. Zu gefährlich sind die Flammen und vor allem der beißende Rauch.

Bewohner haben Angst um ihr Dorf

„Ich will nicht, dass mein Dorf verbrennt“, sagte Alexander Rosental. Er habe erst vor vier, fünf Jahren sein Haus gebaut. „Meine Familie lebt dort, dort ist mein ganzer Lebensmittelpunkt“. Die wichtigsten persönlichen Dinge hat er in eine Tasche gepackt und ist mit ängstlichen Gefühlen zur Schwiegermutter nach Riesa gefahren.

Gefährliches Brandgebiet durch Munition im Boden

Das Feuer war am Dienstag nahe einem einstigen Truppenübungsplatz ausgebrochen. Seitdem kämpfen die Feuerwehren gegen die Flammen. Der Einsatz ist sehr gefährlich und kompliziert, weil immer wieder im Boden befindliche Munition detoniert. Die Feuerwehrleute können die Flammen nicht direkt bekämpfen. Sie müssen einen Sicherheitsabstand von 1.000 Metern einhalten. Das gilt auch Hubschrauber mit ihren Wasserbehältern. Eine gezielte Bekämpfung der Flammen von oben ist so nicht möglich.

Katastrophenalarm ausgelöst, zwei Ortschaften evakuiert

Wegen des Waldbrandes wurde für die Gemeinden Zeithain und Wülknitz sowie die Stadt Gröditz Katastrophenalarm ausgelöst. Damit werden die Kräfte der jeweils zuständigen Behörden gebündelt. Der Zeithainer Ortsteil Neudorf mit 269 gemeldeten Bewohnern wurde evakuiert und etwa 100 Einwohner im Wülknitzer Ortsteil Heidehäuser mussten nach Angaben des Landratsamtes Meißen ihre Häuser und Wohnungen verlassen. In Röderau steht eine Mehrzweckhalle zur Verfügung, in der sie unterkommen können.

„Ich habe keine Angst und vertraue auf unsere Leute“, sagte Heinz Rudolph aus Neudorf, der selbst lange in der Freiwilligen Feuerwehr war. In der vergangenen Nacht habe er das Feuer aus seinem Schlafzimmer heraus beobachtet. „Das war schon ganz schön gefährlich, ein richtig großer, roter Feuerball.“

Das Schlimmste ist die Ungewissheit 

Die Evakuierung von Neudorf lief problemlos. Man könne sich nicht wirklich daran gewöhnen, in einem solchen gefährdeten Gebiet zu leben, meinte ein Mann mittleren Alters. Vor ein paar Monaten hatte er noch die dramatischen Bilder von den Bränden in den Hügeln um Los Angeles gesehen. Dort ging es ja rasend schnell, meinte er jetzt. Nun hatte er wie viele Einwohner schon Vorsorge getroffen. Das Schlimmste sei die Ungewissheit, hieß es unisono.

„Meine Frau ist vorhin von Arbeit zurückgekommen. Wir haben unsere Sachen gepackt, Versicherungsunterlagen und so was. Unser Auto ist schon bei meinen Eltern in Zeithain“, berichtete der Mann. Er wolle nur noch sein Moped holen, ein S 50 aus DDR-Zeiten, heute eine Rarität. Man habe auch ein paar Fotos eingepackt, die Pässe. Alles andere könnte ersetzt werden. 

Die meisten Einwohner würden verständnisvoll reagieren, erläuterte eine Polizistin, die in Neudorf von Haus zu Haus geht und die Leute informiert. Die Nachricht von einer möglichen Evakuierung hatte schon vorher die Runde gemacht. Aber bis zuletzt hatten die Neudorfer gehofft, verschont zu werden. Nun richtet sich die Hoffnung darauf, dass die Flammen kein Zerstörungswerk anrichten. Am Vormittag setzte Regen ein und machte etwas Mut. 

Notunterkunft in Mehrzweckhalle

Ein paar Kilometer weiter in Röderau haben jene eine Bleibe gefunden, die nicht bei Verwandten unterkommen konnten. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) rüstete eine Mehrzweckhalle zur Notunterkunft um. Für 25 Menschen standen Feldbetten, Stühle und Tische bereit. Auch für Essen und Trinken war gesorgt. Bis zum frühen Nachmittag hatten sich zwölf Leute eingefunden. Auch für drei Hunde wurde die Halle zur provisorischen Bleibe. Für das DRK-ein Einsatz, der auch überregional Kräfte bindet, sagte DRK-Sprecher Kai Kranich.

Ausmaß des Brandes unklar

Die Zahl der Einsatzkräfte aus beiden Ländern wurde inzwischen auf mehr als 500 aufgestockt. Das Flächenausmaß des Brandes ist aktuell nicht einschätzbar, betonte Landrat Ralf Hänsel (CDU). Nach Angaben von Feuerwehrleuten vor Ort soll der Brand jedoch eine Fläche von rund 1.000 Hektar umfassen und damit umfangreicher sein als der Großbrand von 2022. 1.000 Hektar entsprechen ungefähr der Größe von 1400 Fußballfeldern. Nach wie vor ist der Waldbrand nicht unter Kontrolle. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wollte am Nachmittag in das Brandgebiet kommen und sich einen Eindruck verschaffen.

Hubschrauber erkundet Brandfläche

Ein Erkundungshubschrauber der Landespolizei ist im Einsatz. Der Hubschrauber soll Hinweise auf das Ausmaß des Brandes geben. Zudem kann die Maschine mit Hilfe spezieller Kameras Glutnester erkennen, sagte eine Sprecherin der Bereitschaftspolizei, die für die sächsische Polizeihubschrauberstaffel zuständig ist. Der Verwaltungsstab für außergewöhnliche Ereignisse des Landkreises Meißen arbeitet rund um die Uhr, hieß es. Neben dem Hubschrauber sei auch ein Wasserwerfer der Polizei angefordert worden.