Sind die Regeln für die öffentliche Auftragsvergabe in Sachsen-Anhalt zu kompliziert? Die Koalition in Magdeburg bringt Änderungen auf den Weg. Doch nicht alle sind damit zufrieden.
Die schwarz-rot-gelbe Koalition in Sachsen-Anhalt will Bürokratie abbauen und es Kommunen leichter machen, Bauaufträge und Aufträge für Dienstleistungen zu vergeben. Dazu soll das Tariftreue- und Vergabegesetz geändert werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf haben CDU, SPD und FDP im Parlament in Magdeburg eingebracht.
Man stärke die Wirtschaft und die Kommunen, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Ulrich Thomas. Kern der Reform ist eine temporäre Anhebung der Schwellenwerte bei der Auftragsvergabe. Laut Thomas sollen bei Dienstleistungen bis 221.000 Euro etwa Dokumentationspflichten wegfallen. Bei Bauleistungen werde der Wert von 120.000 Euro auf rund 5,5 Millionen Euro angehoben. „Das heißt, die Straße kann zügig begonnen werden“, sagte Thomas.
Kritik an Dokumentationspflichten
In den vergangenen Monaten hatte es viel Kritik aus der Wirtschaft an den bestehenden Regeln gegeben, besonders an bürokratischen Hürden und den Dokumentationspflichten. „Ich persönlich kenne in meinem Umfeld viele Handwerksbetriebe, Maler, Elektrofirmen, Zimmerleute – die bewerben sich schon gar nicht mehr bei einer Ausschreibung für öffentliche Aufträge“, sagte Thomas. Es gehe deshalb darum, Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Doch alle Bedenken sind mit den geplanten Änderungen nicht ausgeräumt. „Im Entwurf finden sich immer noch Themen, die wenig mit dem Bauen selbst zu tun haben“, sagte Michael Truthmann, Geschäftsführer des Bauunternehmens Industriebau Wernigerode, der Deutschen Presse-Agentur. Das betrifft etwa Entlohnungsfragen, die über den gesetzlichen Mindestlohn hinausgehen. „Man produziert viel Papier, was am Ende beiseitegelegt wird und niemand sich mehr anschaut.“ Dies gelte sowohl für den Bewerbungsprozess als auch den potenziellen Auftrag, da im Falle einer Kontrolle im Betrieb alle Nachweise bereitliegen müssten.
Weichen Unternehmen auf andere Aufträge aus?
Truthmanns Unternehmen ist in mehreren Bundesländern aktiv. Die Unterschiede in der Planung seien deutlich, sagte er. Eine bundesweite Regelung würde die Planungsvorbereitungen leichter machen. In Sachsen-Anhalt komme es seinem Eindruck nach durchaus vor, dass Bauunternehmen wegen des Aufwands, sofern möglich, auf andere Aufträge ausweichen, statt sich auf öffentliche Ausschreibungen zu bewerben. „Es wäre schön, wenn man sich mehr auf die Kernleistung des Bauens konzentrieren könnte.“
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) übt Kritik. „Die Landesregierung nutzt alle Möglichkeiten, um das Tariftreue- und Vergabegesetz auszuhöhlen: Die Schwellenwerte zur Anwendung des Gesetzes werden derart erhöht, dass nur noch zehn Prozent der Auftragsvergaben erfasst werden“, erklärte DGB-Landesleiterin Susanne Wiedemeyer.
Wirtschaftsminister Sven Schulze sieht das anders. Von den Kommunen und Unternehmen habe es für das neue Vergabegesetz viel positives Feedback gegeben, sagte der CDU-Politiker.
Wirtschaft soll gestärkt werden
FDP-Fraktionschef Andreas Silbersack betonte, die Änderungen seien eine echte Entlastung für Mittelstand und Handwerk. Es gehe darum, zur Verfügung stehendes Geld auf die Straße zu bringen.
Der Abgeordnete Holger Hövelmann (SPD) sagte, es gebe gute Gründe für die Reform. Angesichts der geplanten Investitionen in die Infrastruktur in den nächsten Jahren wären die aktuellen Schwellenwerte ein Flaschenhals. Mit der Anhebung ermögliche man eine schnelle Nutzung der Gelder, so Hövelmann. „Und davon profitiert nicht zuletzt unsere heimische Wirtschaft.“
Opposition ist nicht zufrieden
Die Opposition übte in der Debatte Kritik. Bei der Reform des Vergabegesetzes vor drei Jahren habe man davor gewarnt, dass die Regelungen zu mehr Bürokratie führen würden, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Matthias Lieschke. „Niemand hat auf uns gehört.“
Auch die Linke ist nicht zufrieden. „Wir lehnen dieses Papier eindeutig ab“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher Wulf Gallert. Damit werde das Vergabegesetz faktisch außer Kraft gesetzt. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Olaf Meister, forderte eine umfassende Anhörung von Unternehmen, Gewerkschaften und Kommunen im weiteren Beratungsprozess. Der Gesetzentwurf soll nun in den Ausschüssen des Parlaments beraten werden.