Eine Woche nach der Einnahme der sudanesischen Stadt Al-Faschir durch die RSF-Miliz wird aus Satellitenaufnahmen und Augenzeugenberichten das Ausmaß der dort gegen die Zivilbevölkerung begangenen Gräueltaten immer deutlicher. Aus der Stadt geflüchtete Menschen berichteten am Wochenende der Nachrichtenagentur AFP, dass RSF-Kämpfer Familien getrennt und Kinder vor den Augen ihrer Eltern getötet hätten. Satellitenbilder deuteten auf anhaltende Massentötungen hin. Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) nannte die Lage im Sudan „apokalyptisch“.
Ein Überlebender aus Al-Faschir mit dem Vornamen Adam sagte AFP, dass zwei seiner Söhne, 17 und 21 Jahre alt, vor seinen Augen getötet worden seien. „Sie behaupteten, sie hätten (für die Armee) gekämpft, und dann haben sie mich auf den Rücken geschlagen.“ Nach seiner Ankunft in der von der RSF kontrollierten Stadt Garni hätten dann Kämpfer der Miliz das Blut seiner Söhne auf seiner Kleidung gesehen und ihm vorgeworfen, selbst gekämpft zu haben. Nach stundenlangem Verhör hätten sie ihn gehen lassen, berichtete Adam.
Die sechsfache Mutter Zahra, die aus Al-Faschir in die benachbarte Stadt Tawila floh, sagte AFP in einem Interview per Satellitentelefon: „Ich weiß nicht, ob mein Sohn Mohammed tot oder lebendig ist.“ Vor ihrer Ankunft in Garni hätten RSF-Kämpfer sie angehalten und ihre 16 und 20 Jahre alten Söhne herausgegriffen. „Ich habe sie angefleht, dass sie sie gehen lassen sollen“, sagte Zahra, aber die Kämpfer hätten nur den 16-Jährigen wieder freigelassen.
Am 26. Oktober hatte die mit der offiziellen sudanesischen Armee rivalisierende Miliz Rapid Support Forces (RSF) die Stadt Al-Faschir im Westen des Landes nach rund 18-monatiger Belagerung eingenommen. Einen Tag später bestätigte Sudans Militärherrscher Fattah al-Burhan den Rückzug der Armee aus der Stadt in der Region Darfur.
Nach Angaben der UNO konnten 65.000 Menschen aus Al-Faschir fliehen – zehntausende sind jedoch weiterhin in der Stadt gefangen. Vor dem Angriff der RSF zählte die Stadt rund 260.000 Einwohner.
Satellitenbilder deuteten darauf hin, dass in und um die Stadt weiterhin Massentötungen verübt werden, wie eine Forschergruppe der US-Universität Yale am Freitag mitteilte. Die Bilder gäben Anlass zur Annahme, dass ein Großteil der Bevölkerung „tot ist oder gefangen genommen wurde oder sich versteckt“.
Die Wissenschaftler identifizierten zwischen Montag und Freitag 31 Ansammlungen von menschlichen Körpern ähnelnden Objekten – in Wohngebieten, auf Universitätsgeländen und an Militärstandorten. Es gebe Hinweise, dass „die Massenmorde weitergehen“, erklärte die Forschergruppe.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) prangerte am Samstag die „schrecklichen Massengräueltaten und Morde“ an, die sowohl „willkürlich“ als auch „ethnisch motiviert“ seien.
Es seien viel weniger Menschen als erwartet aus dem von Lebensmittelknappheit betroffenen Al-Faschir ins nahegelegene Tawila geflohen, wo Ärzte ohne Grenzen tätig ist, erklärte die Organisation. „Wo sind all die Vermissten, die bereits monatelang Hunger und Gewalt in Al-Faschir überlebt haben?“ fragte der MSF-Vertreter Michel Olivier Lacharite. Die wahrscheinlichste und erschreckende Antwort sei, „dass sie getötet werden“, wenn sie zu fliehen versuchten.
Bundesaußenminister Wadephul (CDU) bezeichnete bei einer Sicherheitskonferenz in Bahrain die Lage im Sudan als „apokalyptisch“ und sprach von „der größten humanitären Krise der Welt“. Die RSF werde für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden, sagte er.
Seine ebenfalls nach Bahrain gereiste britische Amtskollegin Yvette Cooper nannte die Berichte aus Darfur „wirklich schrecklich“ und prangerte Gräueltaten, Massenhinrichtungen, Aushungern und Vergewaltigung an. Großbritannien kündigte Finanzhilfen in Höhe von fünf Millionen Pfund (knapp sechs Millionen Euro) für den Sudan an.
Bei dem im April 2023 entbrannten Konflikt im Sudan stehen sich die Armee von Militärherrscher al-Burhan und die RSF-Miliz seines früheren Stellvertreters Mohamed Hamdan Daglo gegenüber.
Seither wurden bei den Kämpfen zehntausende Menschen getötet, rund zwölf Millionen Menschen mussten aus ihren Heimatregionen fliehen. In dem nordostafrikanischen Land herrscht nach Einschätzung der UNO die schwerste humanitäre Krise der Welt.