Die Berliner Ordnungsämter warnen: Ohne Reform der Gewerbeaufsicht könnten Gesetze in der Stadt wirkungslos bleiben. Was sie vom Senat fordern und wie dieser reagiert.
Die Ordnungsämter der zwölf Berliner Bezirke fordern eine Neuorganisation der Gewerbeaufsicht in der Stadt. „Das Land Berlin verfügt derzeit faktisch über keine funktionierende Gewerbeüberwachung mehr – mit gravierenden Folgen für Rechtsstaat, Sicherheit und fairen Wettbewerb“, schrieb die Amtsleiterin in Charlottenburg-Wilmersdorf, Kerstin Klimsch, im Namen ihrer Kollegen in den anderen Bezirken an die Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU).
Strukturen und Aufgabenverteilung zwischen Bezirken und Polizei sind nach Einschätzung der Ordnungsämter nicht mehr zeitgemäß, die Personalausstattung nicht ausreichend. In etlichen Bereichen fänden schon länger keine oder zu wenige Kontrollen statt.
Forderung nach Reform
„Ohne eine handlungsfähige Gewerbeüberwachung riskiert Berlin, als Ort wahrgenommen zu werden, an dem Gesetze keine praktische Wirkung mehr entfalten und Wirtschaftskriminalität faktisch folgenlos bleibt“, warnt Klimsch in dem Schreiben, über das zuerst der „Tagesspiegel“ berichtete. Der Senat sei aufgerufen, die im Rahmen eines Projekts zur Neuorganisation empfohlenen Weichenstellungen mit hoher Priorität umzusetzen.
Aufgaben bei Polizei und Ordnungsämtern
Aufgaben der Gewerbeaufsicht werden von Ordnungsämtern und Polizei erfüllt. Die bezirklichen Ämter sind etwa für die Genehmigung von Reisebüros, Restaurants, Spielautomaten, Firmen aller Art, Messen oder Märkten zuständig. Die Überwachung, ob die Regeln eingehalten werden, und die Verfolgung von Verstößen obliegt der Polizei. Ein LKA 33 genanntes Dezernat des Landeskriminalamtes hat dabei etwa Gaststätten, Spielhallen, Wettbüros, Bordelle, Makler, Pfandleiher oder das Sicherheitsgewerbe im Blick.
Zieht sich der Rechtsstaat zurück?
So jedenfalls die Theorie. „Seit Jahren ist das Landeskriminalamt personell nicht mehr in der Lage, die gesetzlichen Aufgaben der Gewerbeüberwachung effektiv wahrzunehmen“, heißt es in dem Schreiben. Der dortige Gewerbeaußendienst existiere praktisch nicht mehr.
„Das führt dazu, dass sich in Teilen dieser Stadt bereits Strukturen etabliert haben, die sich offenkundig nicht mehr an geltendes Recht gebunden fühlen. Wenn der Staat in diesem Bereich dauerhaft nicht präsent ist, entstehen Räume, in denen rechtsstaatliche Grundsätze keine Geltung mehr haben.“
Die Ordnungsämter schlagen vor, auch die Zuständigkeit für die Gewerbeüberwachung zeitnah in ihren Bereich und den des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo) zu verlagern. Gleichzeitig müsse der Senat die erforderlichen, auskömmlich finanzierten Stellen bereitstellen.
Auch Polizei erkennt Optimierungsbedarf an
Die Polizei äußert auf Anfrage Verständnis für die Wahrnehmung der Bezirke und räumt ein, dass die rein quantitative Anzahl der überwachten Gewerbegebiete rückläufig sei. Aber: „Da das zuständige Dezernat des Landeskriminalamtes allerdings über eine stadtweite Zuständigkeit verfügt, können und werden über Bezirksgrenzen hinweg Überwachungsschwerpunkte hinsichtlich bestimmter Gewerbearten oder –betreiber gesetzt“, hieß es.
Dies entziehe sich der Wahrnehmung der einzelnen Bezirksämter, so dass für die einzelnen Bezirke nachvollziehbar der Anschein eines Defizits vorhanden sei. Gleichwohl erkannten alle beteiligten Stellen – auch die Polizei – einen Optimierungsbedarf, wie die Behörde weiter mitteilte.
Senatskanzlei reagiert
Der Senatskanzlei ist das Problem nach Angaben von Sprecher Michael Ginsburg bekannt. „Unter der Federführung der für die Gewerbeüberwachung zuständigen Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe läuft bereits seit geraumer Zeit ein Projekt, in dem Vorschläge für eine Neuaufstellung der Gewerbeüberwachung erarbeitet und Aufgabenverlagerungen vorgeschlagen wurden.“ Die Senatskanzlei unterstütze die Vorschläge des Projekts.
„Die Senatskanzlei hat das Anschreiben der Bezirke zum Anlass genommen, das Thema auf die Tagesordnung des nächsten Lenkungskreises Ordnungsämter zu setzen“, ergänze Ginsburg. Dieser tage Mitte November unter Leitung der Staatssekretärin Martina Klement.