2. Bundesliga: Herthas Erleichterung: Energie, Ergebnis und Eichhorn

Hertha BSC überrascht mit einem Sieg in Hannover. Jetzt fühlen sich die Berliner in der richtigen Spur. Auch dank eines tollen Teenagers. Der Sportdirektor warnt vor einer typischen Hertha-Reaktion.

Stefan Leitl hätte in der großen Erleichterung über den ersten Saisonsieg von Hertha BSC viele Geschichten erzählen können. Der Trainer der Berliner entschied sich aus guten Gründen zuerst für die von Kennet Eichhorn. 16 Jahre und 48 Tage. Jünger war bei seinem ersten Startelf-Einsatz im deutschen Profi-Fußball nur der einstige Dortmunder Youssoufa Moukoko. 

Eichhorns Alter allein war nicht Leitls Antrieb. Es war die Leistung des Teenagers beim überraschend deutlichen 3:0 beim Zweitliga-Spitzenreiter Hannover 96 auf der strategisch wichtigen Sechserposition. 

„Ganz ehrlich, 16 Jahre, 50.000 Zuschauer. Gegen eine Top-Mannschaft, für mich war er mit Abstand der beste Spieler auf dem Platz. Mit 16 Jahren, so ein abgeklärter Auftritt“, geriet der Hertha-Coach ins Schwärmen. Leitl hatte Eichhorn früher von der U17-Auswahl des DFB zurück nach Berlin geholt – er hatte einen Hannover-Plan mit ihm, der perfekt aufging. 

Berliner Weg als Marschroute

Moukoko wurde zwei Jahren nach seinem BVB-Debüt in den WM-Kader berufen und musste dann einen harten Karriere-Umweg über Nizza nach Kopenhagen einschlagen. So soll es Eichhorn nicht ergehen. Sie wollen aufpassen auf ihr Supertalent mit der unfassbaren Ruhe am Ball. „Der Berliner Weg wird weiter fortgesetzt. Der Junge ist total reflektiert, bodenständig“, sagte Leitl. 

Reflektiert und bodenständig. Das sind die Attribute, mit denen sie sich bei der Hertha in einem immer extremen Hauptstadt-Umfeld in den vergangenen Jahren schwertaten. Jetzt ist Leitl als in sich ruhender sportlicher Oberaufseher im Amt. Ausgerechnet an seiner alten Wirkungsstätte in der nicht für Aufregung bekannten Niedersachsen-Metropole sollte sich seine Prognose bewahrheiten. 

Die Hertha kann in der 2. Liga Top-Fußball spielen. Auch Dank Eichhorn, der kurz vor dem Abpfiff seines insgesamt dritten Zweitligaspiels von Krämpfen gepeinigt an der Außenlinie zu Boden sank und dann doch überrascht war, dass Leitl ihn aus dem Spiel nahm. Aber vor allem trumpften die Berliner als Einheit auf. Sie kämpften, verteidigten, wehrten 16 Eckbälle der Gastgeber ab. 

„Wir haben offensiv wie defensiv ein Spektakel abgeliefert und unglaubliche Energie auf den Platz gebracht. Das war absoluter Teamsport“, sagte Marten Winkler, der Schütze des wichtigen ersten Tores. Dawid Kownacki mit seinem ersten Hertha-Tor und Joker Luca Schuler mit seinem Schlusspunkt-Treffer nach langer Verletzungszeit wären weitere Hertha-Storys mit Gute-Laune-Faktor gewesen. 

Torwart Ernst als Stabilisator

Energie, war ein Schlagwort, das Leitl vor dem Spiel strapaziert hatte. „Diese Energieleistung, diese Bereitschaft, das eigene Tor zu verteidigen, muss Woche für Woche der Maßstab sein“, sagte Torwart Tjark Ernst, der mit seinen Paraden einen Rückstand gegen lange überlegene Hannoveraner verhinderte. 

Woche für Woche. Genau das wird der Test für die Berliner, die mit fünf Punkten jetzt immerhin nicht mehr in der Abstiegszone stehen. Klassischerweise folgten auf solche Höhepunkte zuletzt immer wieder unerwartete Rückschläge. Das nächste Heimspiel gegen den SC Paderborn am Samstag (13.00 Uhr/Sky) wäre so ein typischer Fall. Das wissen sie bei der Hertha genau. 

Weber warnt: Werden nicht abdrehen

Benjamin Weber gab den Ton vor, der auch Leitl passt. „Wir waren zuletzt selbstkritisch in vielen Dingen und wussten, dass es an uns liegt. Wie wir vor zwei Wochen nicht den Kopf verloren haben, werden wir jetzt nicht abdrehen“, sagte der Sportdirektor.