Versuchter zweifacher Mord: Racheakt für getöteten Sohn: Rentner muss in Haft

Eine Patrone traf, die andere löste sich nicht: Weil er mit gezielten Schüssen Vergeltung für den unaufgeklärten Mord an seinem Sohn suchte, muss ein 69-Jähriger wegen versuchten Mordes in Haft.

Wegen zweifachen versuchten Mordes hat das Landgericht Münster einen 69-Jährigen aus Ahlen zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Richter zeigten sich in ihrer Urteilsbegründung überzeugt, dass der Rentner mit einem Schuss auf zwei Mitglieder einer verfeindeten Nachbarsfamilie, den bis heute unaufgeklärten Mord an seinem Sohn rächen wollte.

Angeklagter zielte auf Rücken und Kopf

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Deutsche im vergangenen Dezember auf einem Supermarktparkplatz in Ahlen im Münsterland einem Nachbarn in den Rücken geschossen und mit der Pistole auf den Kopf von dessen Mutter gezielt hatte. Der 37-Jährige wurde verletzt, der Schuss auf die Mutter hatte sich wegen einer verklemmten Patrone nicht gelöst.

Zwischen den beiden Nachbarsfamilien, beides syrisch-orthodoxe Christen mit Wurzeln in der Türkei, herrschte ein jahrelanger Streit. Als im Dezember 2020 der Sohn des Angeklagten vor seinem Wohnhaus in Ahlen aus nächster Nähe erschossen wurde, waren auch Mitglieder der damals bereits verfeindeten Nachbarsfamilie in Verdacht geraten. Aus Mangel an Beweisen wurden die Ermittlungen aber schließlich eingestellt.

Wunsch nach Vergeltung

Die Familie des Getöteten blieb aber von der Schuld ihrer Nachbarn überzeugt. Der Vater habe den Wunsch nach Rache und Vergeltung gehabt, er habe sehr unter dem ungesühnten Tod seines Sohnes gelitten, hieß es in der Urteilsbegründung. Im Prozess hatte der Angeklagte ausgesagt, er habe mit seiner Tat auch die Ermittlungen wieder in Gang setzen wollen.

Das Gericht wertete die Tat als zweifachen versuchten Mord. Außerdem muss der Angeklagte den Geschädigten ein Schmerzensgeld von insgesamt 39.500 Euro zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

„Der Hass ist unüberwindbar“

Die Urteilsverkündung fand im voll besetzen Landgerichtssaal unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt. Aus beiden Familien waren zahlreiche Mitglieder vertreten. Zum Abschluss des Verfahrens richtete sich die Vorsitzende Richterin mit einem Appell an die Familien: „Ziehen Sie dort weg, warten Sie nicht, bis die andere Familie es tut. Der Hass ist unüberwindbar.“