Seit 35 Jahren ist Deutschland wieder ein Land. Ehen halten heute länger, doch beim Vermögen bleibt eine Kluft: Was aktuelle Zahlen zu Ost und West zum Jahrestag der Wiedervereinigung zeigen.
Am 3. Oktober feiert Deutschland 35 Jahre Wiedervereinigung. Ob Heiratsalter, vererbtes Vermögen oder Wohnraum: Trotz Annäherung in vielen Bereichen lassen sich immer noch teils große Unterschiede zwischen Ost und West feststellen, wie aus Daten des Statistischen Bundesamts hervorgeht. Hier kommen Zahlen und Fakten zu ausgewählten Bereichen:
Ehen halten länger als früher – dieser Befund mag auf den ersten Blick überraschen. Im Osten dauerte eine Ehe bis zur Scheidung zuletzt (Jahr 2024) im Schnitt 14,5 Jahre, das sind fünf Jahre mehr als 1991. In den westlichen Bundesländern beträgt der Anstieg der Ehedauer im selben Zeitraum etwa drei Jahre und liegt mit 14,7 Jahre auf einem ähnlichen Niveau mit dem Osten.
Männer und Frauen im Osten sind inzwischen deutlich älter, wenn sie heiraten: Ein Mann im Osten beispielsweise gab 2024 im Schnitt im Alter von 38,6 Jahren erstmals das Ja-Wort, im Westen war ein Mann 34,7 Jahre alt. 1991 lag das Heiratsalter bei Männern noch bei 28,7 Jahren (West) und 26,6 Jahren (Ost). Ähnlich ist es bei den Frauen: Im Osten waren die Frauen bei der standesamtlichen Hochzeit im Schnitt 35,6 Jahre alt (plus 12 Jahre), im Westen 32,4 Jahre (plus sechs Jahre seit 1991).
Wohnen
Hohe Mieten, zu wenige Neubauten – die Probleme auf dem Wohnungsmarkt sind vielerorts spürbar. Das war nicht immer so. In den 1990er Jahren herrschte ein regelrechter Bauboom in Deutschland und Aufbruchstimmung nach der Wiedervereinigung. Im Jahr 1994 etwa wurden alleine im Westen 500.000 Wohnungen gebaut. In den östlichen Ländern mit Berlin lag der Spitzenwert im Jahr 1997 bei 190.000 fertig gestellten Wohnungen – Zahlen, von denen Ost und West gemeinsam heutzutage weit entfernt sind. 2024 wurden knapp 252.000 Wohnungen fertiggestellt.
Gestiegen sind aber auch die Ansprüche an Wohnungen. Das lässt sich an der Quadratmeterzahl Wohnfläche ablesen, die eine Person rein rechnerisch zur Verfügung hat. Waren es Ende 1990 knapp 35 Quadratmeter, stieg diese Zahl bis Ende 2023 auf 47,5 Quadratmeter. Heißt im Klartext: Im Schnitt hat jeder gut ein Drittel mehr Wohnraum zur Verfügung als vor 30 Jahren.
Wer zur Miete lebt, lebt im Osten günstiger. Denn dort sind die Bestandsmieten deutlich günstiger. Zum Zensus-Stichtag 15. Mai 2022 war die Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche in Sachsen-Anhalt mit 5,38 Euro am niedrigsten, knapp vor Thüringen (5,65 Euro) und Sachsen (5,72 Euro). Bundesweit musste eine Miete von durchschnittlich 7,28 Euro bezahlt werden.
Vermögen und Erbe
Eine große Kluft zwischen Ost und West gibt es nach wie vor bei der Vermögensverteilung. Das liegt im Osten teils an der DDR-Vergangenheit, deren sozialistische Wirtschaftsform einen Vermögensaufbau oder Immobilienbesitz erschwerte oder verhinderte, anders als der Westen mit seiner Marktwirtschaft. Die Unterschiede sind in den vergangenen 35 Jahren zwar kleiner geworden, nach den Daten des Statistischen Bundesamts aber immer noch vorhanden. Denn nach wie vor gibt es auch Lohnunterschiede zwischen Ost und West, der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst lag im Jahr 2024 im Westen um rund ein Fünftel höher.
1993 hatte ein Haushalt in den östlichen Ländern im Schnitt ein Nettogesamtvermögen von 37.900 Euro, in den westlichen Ländern mit Berlin lag dieser Wert mit 124.600 Euro mehr als dreimal so hoch. Im Jahr 2018 hatten die westdeutschen Haushalte aber immer noch ein gut doppelt so hohes Vermögen als die Haushalte im Osten (88.000 Euro).
Dies lässt sich auch an den Erbschaften und Schenkungen ablesen, die den Finanzbehörden gemeldet werden und die über dem steuerlichen Freibetrag liegen. Wer weniger hat, kann auch weniger vererben. 2023 wurden in den westlichen Bundesländern pro Kopf gut 1.700 Euro vererbt oder verschenkt – mehr als dreimal so viel wie in den östlichen Bundesländern und Berlin mit gut 500 Euro.
Familie
Die Art und Weise des Zusammenlebens in Deutschland hat sich in Ost wie in West drastisch verändert. Das hat nicht unbedingt mit der Deutschen Einheit zu tun, sondern eher mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen. Die Familie, zu der die Statistiker auch Alleinerziehende oder nicht verheiratete Paare mit Kindern zählen, ist nicht mehr das Mehrheitsmodell. Lebten im Jahr 1991 noch 60 Prozent der Bevölkerung oder 47,1 Millionen Menschen in Deutschland in einer Familie, lag dieser Anteil im Jahr 2024 nur noch bei knapp der Hälfte (49 Prozent oder 40,6 Millionen Menschen).
Jeder Fünfte in Deutschland lebt inzwischen alleine – ob gewollt oder ungewollt. Und auch die Geburtenraten sinken seit vielen Jahren. Die Zahl der Kinder in Familien ist zwischen 1991 und 2024 von 22,4 Millionen auf 19,8 Millionen zurückgegangen. Frauen sind inzwischen etwa über 30 Jahre alt, wenn sie ihr erstes Kind bekommen. 1990 lag das Durchschnittsalter bei der ersten Geburt noch bei knapp 27 Jahren, im Osten bei rund 25 Jahren. Mittlerweile sind die Unterschiede zwischen Ost und West aber nur noch gering.