Meinung: Aliens spionieren uns aus? Die Ideen dieses Harvard-Forschers nerven nur noch

Das vor Kurzem entdeckte Objekt 3I/Atlas könnte Aliens als Ursprung haben, behauptet der Astrophysiker Avi Loeb. Doch er fiel schon öfters mit gewagten Thesen auf.

Mal wieder Avi Loeb! Wer in den vergangenen Jahren die Astro-Nachrichten ein wenig verfolgt hat, wird bei dem Namen entweder aufhorchen oder aufstöhnen. Der Professor der Harvard University, das muss man ihm zugute halten, sorgt in seinem Forschungsfeld regelmäßig für Unterhaltung. Und er liefert Schlagzeilen, die der Astronomie und ihren zuweilen nischigen Beobachtungen weltweit Aufmerksamkeit sichern. 

So auch nun wieder. Anfang Juli hatten Forschungsteams ein Objekt im Sonnensystem entdeckt, das nicht „von hier“ stammt, sondern das Sonnensystem nur als Gast durchfliegt. 3I/Atlas ist überhaupt erst das dritte Objekt, das als „interstellar“ identifiziert wurde. Auch ohne Loeb bekam 3I/Atlas viel Aufmerksamkeit, doch der Astrophysiker hat den Presserummel nun auf die Spitze getrieben, indem er anzweifelt, dass es sich bei dem Objekt um einen schnöden Kometen handelt und nicht doch um außerirdische Technologie. 

Die Mehrheit der Astronominnen und Astronomen hätte auf diese Einlassung wohl gut verzichten können. Denn wie so oft muss Loebs Kollegenschaft nun seine Spekulationen wieder einfangen. Sie müssen die öffentliche Erwartung dämpfen, dass die Forschung endlich Beweise für extraterrestrisches Leben gefunden habe, ja sogar, dass diese Außerirdischen sich nicht auf fernen Exoplaneten tummeln, sondern in unserer direkten Nähe, uns gar einen Besuch abstatten wollen. 

Von außerirdischen Raumschiffen und ihren Bruchstücken

Dabei war es durchaus erfrischend, als Loeb das erste Mal solch eine These öffentlich vertrat. Das war just zu einem ganz ähnlichen, 2017 entdeckten Objekt, 1I/’Oumuamua. Dieses war nicht nur eine wissenschaftliche Sensation, weil es das allererste beobachtete interstellare Objekt war – erstmals erreichte uns ein Etwas aus den Tiefen des Alls und überbrückte damit die schier unüberwindbar scheinende Leere zwischen uns und dem Rest des Universums. Sondern darüberhinaus warf seine Flugbahn zu Beginn einige Fragen auf: 1I/’Oumuamua schien zu beschleunigen.

Entsprechend aufregend war daher Loebs Hypothese, dass dieser „erste Besucher aus den Tiefen des Alls“ nicht bloß ein Brocken aus Gestein war, sondern ein Vorabkommando einer fernen Zivilisation. Und erfrischend war es, weil man dem astronomischen Forschungsbetrieb zuweilen vorwerfen mag, konservativ zu sein. Nicht abwegig erscheint das Szenario, wie uns eines Tages tatsächlich Aliens einen Besuch abstatten wollen – und wir es nicht merken, weil die Forschenden es nicht sehen können oder sehen wollen.

Gut, dass angesichts dessen auch mal eine weithin respektierte Person wie der Harvard-Professor Avi Loeb dieses Szenario zumindest als Möglichkeit aussprach. Allerdings fanden Forschende nach einiger Zeit weitaus naheliegendere Erklärungen für die Bahn des Objekts.   

Das hielt Loeb aber nicht davon ab, seine These weiter zu vertreten und neue, ähnlich aufsehenerregende Spekulationen aufzustellen. So glaubte er, auf dem pazifischen Meeresgrund interstellare Materie gefunden zu haben, die angeblich chemisch keiner Materie im Sonnensystem gleiche – es könnte sich gar um die Fragmente eines außerirdischen Raumschiffs handeln! Doch die Kollegenschaft kann in den Funden nichts dergleichen erkennen. Ein anderes Mal spekulierte Loeb, wie man mithilfe von Schwarzen Löchern nach Aliens Ausschau halten könnte.

Wenn Loeb nun auch 3I/Atlas als mögliche außerirdische Technologie bezeichnet, liefert er bloß einen lauwarmen Aufguss seiner Ideen zu 1I/’Oumuamua. Und statt erfrischend ist das nur noch ermüdend.  

Durchrütteln des Wissenschaftsbetriebs

Denn in der Zwischenzeit hat er sein gutes Renommee verspielt, das er sich über Jahrzehnte aufgebaut hatte, als er wichtige Forschung lieferte zum frühen Universum, den ersten Sternen und der kosmischen Reionisation. Dass er seine wissenschaftliche Autorität nutzt, um über Aliens zu spekulieren, ist umso problematischer, als seine wissenschaftliche Expertise eben nicht außerirdisches Leben oder Kometenbahnen umfasst. Und statt sich wie in der Wissenschaft üblich in einem Peer-Review-Verfahren der Kritik anderer Fachleute zu stellen, posaunt Loeb seine Thesen lieber direkt in die Medien. 

Dabei entsteht leider der Eindruck, als würde hier jemand endlich den Mantel des Schweigens brechen. Ganz falsch ist es nicht: Nachdem die Ufologie in den 1970er-Jahren extreme Blüten trieb, in Deutschland am meisten bekannt durch Erich von Däniken, und in den 1990ern „Akte X“ zu einer der erfolgreichsten Fernsehserien aufstieg, machen viele ernst zu nehmende Forschende einen weiten Bogen um die Debatte, Aliens könnten in unserer Nähe existieren. 

Und doch hat sich in den vergangenen Jahren einiges in der Forschung getan. Nachdem in kurzer Zeit Abertausende Exoplaneten entdeckt wurden, fand ein Umdenken statt. Dass im Universum irgendwo weiteres Leben existiert und sei es nur in simpelster Form, wird wohl von der Mehrzahl der Astronominnen und Astronomen erwartet, weswegen milliardenteure Teleskope nach Exoplaneten in habitablen Zonen Ausschau halten, um in ihren Atmosphären Stoffwechselprodukte solchen Lebens nachzuweisen. Und auch die SETI-Forschung, die Suche nach außerirdischen Zivilisationen eben, ist aktiv, wenn auch klein. 

Darunter die Forschung des Astrophysikers Adam Frank, der im Gespräch mit GEO das Vorgehen von Loeb im Fall von 1I/’Oumuamua zunächst verteidigt: „Also erstellte Loeb eine Liste mit möglichen Dingen, die ‚Oumuamua sein könnte: unter anderem eben ein Stück Technologie, erschaffen von einer intelligenten außerirdischen Zivilisation. Bis dahin, so würde ich sagen, war sein Vorgehen vollkommen rational und nachvollziehbar.“ Als unwissenschaftlich kritisiert Frank hingegen Loebs weiteres Verhalten: „Schnell war klar, dass es sich um das Stück eines Himmelskörpers aus einem anderen Sonnensystem handelt. Loeb jedoch war nicht willens, diesen Menschen zuzuhören, im Gegenteil: Er versteifte sich auf die These, ‚Oumuamua sei ein außerirdisches Artefakt. So funktioniert Wissenschaft nicht. Bevor man behauptet, einen Nachweis für außerirdisches Leben gefunden zu haben, müssen alle anderen denkbaren Alternativen ausgeschlossen werden.“

Nähe zu Verschwörungstheorien

Loebs Spekulationen schaden zunehmend der Wissenschaft, dennauf ihn, den Harvard-Forscher, können sich nun Ufologen berufen, wenn sie ihre Phantasmen vermarkten. Dabei zeigt Loeb selbst leider wenig Kontaktscheue zu Verschwörungstheoretikern, er nimmt gar an Konferenzen mit Ufologen und teils wohl Betrügern teil, wie 2023, als er sich zu einer obskuren Veranstaltung im mexikanischen Parlament zuschalten ließ, bei der angeblich der Korpus eines Außerirdischen präsentiert wurde. Allein schon durch Loebs Präsenz verwischt die Grenze zwischen wissenschaftlichem Diskurs und völligem Bullshit.

Kritisch auch eine Auslassung von 2023, in der Loeb Wissenschaft mit Religion verbindet. Der in Israel aufgewachsene Loeb schrieb in einem Essay, dass „der Messias vielleicht nicht aus Brooklyn in New York kommen wird, sondern von einem anderen Planeten“.  Die Begegnung mit einer weit fortgeschrittenen außerirdischen Zivilisation könne viele Erwartungen erfüllen, die mit der im Judentum erwartete Ankunft eines Messias verbunden sind. 

Problematisch ist dabei nicht, dass er als Forscher eine religiöse Weltanschauung hat. Sondern dass er seinen Expertenstatus nutzt, um die wissenschaftliche Debatte mit einer religiösen zu vermischen und damit die so hart errungene Trennung von gefühlter Wahrheit und objektiv messbarer Wirklichkeit auflöst. 

Loeb schneidet viele interessante Debatten an: die Frage nach außerirdischem Leben, nach Denkverboten in der Wissenschaft, nach dem Nebeneinander von religiöser und wissenschaftlicher Weltanschauung. Allerdings gibt es zu all diesen Fragen weitaus fundiertere und interessantere Denkerinnen und Denker. Schade, dass vor allem seine Stimme immer wieder heraussticht.