Weniger Klausuren und mehr Individualität: Bildungsminister Teuber über die Schule der Zukunft.
Eine datengestützte Schulentwicklung ist das Ziel des rheinland-pfälzischen Bildungsministers Sven Teuber. Dabei gehe es darum, kompetenzorientierter zu werden und das datengestützt zu entwickeln, sagte der SPD-Politiker im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist eigentlich wie ein digitaler Schülerausweis mit Speicherplatz.“
Für die Grundschulklassen in Rheinland-Pfalz gebe es bereits Verfahren, mit denen erhoben werden könne, wo die Kompetenzen der Klasse und jedes einzelnen Schülers lägen und wie die Entwicklung sei. Dies ermögliche auch Lehrkräften ein Feedback, worauf sie bei wem noch einmal genau achten sollten, sagte Teuber.
Schüler-ID zur Entwicklung von Bildungsbiographien
Dies könne eine KI auswerten. „Und dann haben wir künftig eine Schüler-ID und die schafft eine kompetenzorientierte Darstellung von einer Entwicklung von Bildungsbiographien.“ Es sei auch für die Eltern entscheidend, wenn sie das sehen und nachvollziehen könnten. Lehrer oder Lehrerinnen könnten dann immer wieder mit den Schülern und den Eltern die Entwicklung nachvollziehen, und schauen, wie sich ein Schüler entwickelt habe, wo er stagniere und wie das ausgeglichen werden könne.
„Da habe ich doch einen viel größeren Mehrwert, als wenn ich sechs oder sieben Klausuren geschrieben habe, die alle von unterschiedlichen Lehrerinnen und Lehrer sind, aber nie nachhaltig werden.“
Immer wieder Lust am Lernen und Neugierde auf Neues
„Wir sind als Gesellschaft im stetigen Wandel. Das heißt, wir brauchen immer wieder Lust am Lernen und Neugierde auf Neues“, betonte Teuber. Dies könne nur gelingen, wenn Druck herausgenommen oder Prüfungen verändert würden, sagte Teuber mit Verweis auf wissenschaftliche Studien. „Es geht ja nicht darum, nur weniger zu machen.“
Wie man Prüfungen verändert? „Es müssen nicht alle zur selben Zeit dasselbe machen, sondern wir haben unterschiedliche Entwicklungsfelder für jeden Schüler und jede Schülerin.“ Dazu gehörten dann auch unterschiedliche Formate, etwa ein Gespräch, eine Präsentation oder ein kreativer Beitrag anstelle einer Klausur. „Das schafft Resilienz, das schafft Stärke und Lust darauf, Lernen als etwas Positives zu erzeugen“, sagte Teuber.
Vom Sinn der Schulnoten
„Wir wollen alle Noten und wir wollen im Endeffekt gute Noten erreichen“, stellte der Minister fest. „Eine Note ist eine Aussage über die Entwicklung von Kindern. Wir müssen den Kindern aber auch die Entwicklung ermöglichen“, unterstrich Teuber.
„Das bedeutet, der Leistungsnachweis erfolgt zu einem Punkt X für die Schülerin Y und zu einem Punkt Y für den Schüler Z.“ „Das Wichtige daran ist das Feedback zu der Note. Warum ist das hier eine 1, eine 3 und warum ist das hier mangelhaft?“ Dazu gehöre dann: „Was musst du und was solltest du weiter lernen und kompetenzorientiert erarbeiten? Das ist das Entscheidende.“
Schüler brauchen Zeit für Bildung und Entwicklung
Curricula müssten immer wieder überprüft und erneuert werden. „Die Schüler brauchen Zeit für Entwicklung, Zeit für Bildung“, sagte Teuber.
Seine Überlegungen fußten auf dem gemeinsam mit Bertelsmann und anderen erarbeiteten Papier zu einer neuen Lern- und Prüfungskultur, sagte Teuber. Er will sich die datengestützte Schulentwicklung zudem im September in Kanada anschauen, wo sie schon besonders weit sei.
GEW unterstützt Teubers Vorschläge im Grundsatz
Die Bildungsgewerkschaft GEW unterstützt nach eigener Darstellung grundsätzlich die Vorschläge aus dem Bertelsmann-Papier und die Forderungen von Teuber nach weniger Klausuren, wie die Landesvorsitzende Christiane Herz sagte.
Es sei pädagogisch sinnvoll, die Zahl formaler Leistungstests in der Grundschule und in den Klassen der Sekundarstufe I deutlich zu reduzieren. Die Grundschulordnung ermögliche auch schon seit mehr als 20 Jahren, bis zur Hälfte der gruppenbezogenen Leistungsnachweise durch andere zu ersetzen. Aber nur wenige Schulen machten davon Gebrauch.
GEW sieht aber auch ein Problem
Allerdings werde ein wichtiger Faktor in dem Bertelsmann-Papier übersehen: „An unseren Schulen ist aktuell nur dann eine annähernd 100-prozentige Unterrichtsversorgung gegeben, wenn alle Kolleginnen und Kollegen sich im Haus befinden.“ Es gebe keine Vertretungsreserven für Krankheitsfälle und den Besuch von Fortbildungen. „So ergibt sich jeden Tag ein Vertretungsbedarf zwischen 5 und 20 Prozent, der nur kompensiert werden kann, wenn die an der Schule bestehenden pädagogischen Konzepte aufgelöst werden“, sagte Herz.
„Wenn flächendeckend eine veränderte Lernkultur erreicht werden soll, müssen die Bedingungen an den Schulen, aber auch schon an den Kitas grundlegend verbessert werden.“