Mehr als ein Jahr nach dem Attentat auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico muss sich der mutmaßliche Täter seit Dienstag vor Gericht verantworten. Er habe auf Fico geschossen, um für eine „freie Kultur“ einzutreten, sagte der 72-jährige Dichter Juraj Cintula zum Prozessauftakt in Banska Bystrica im Zentrum des Landes.
Der 72-Jährige ist angeklagt, im Mai 2024 aus nächster Nähe vier Schüsse auf Fico abgefeuert zu haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm „Terrorismus“ vor, ihm droht lebenslange Haft.
Der Angeklagte wurde von schwer bewaffneten Polizisten ins Gerichtsgebäude geführt. „Lang lebe die freie Kultur“ und „Lang lebe die Demokratie“, rief er bei seinem Eintreffen. Auf Reporterfragen nach dem Motiv für seine Tag sagte Cintula, er habe auf Fico geschossen, „weil er die Kultur unterdrückt“.
In einem Zeitungsinterview hatte der 72-Jährige gesagt, er habe Fico nicht töten wollen und deshalb nicht auf Herz und Kopf des Politikers gezielt. Er sei erleichtert gewesen, dass Fico überlebte.
Der Attentäter hatte im Mai 2024 nach einer Sitzung des slowakischen Kabinetts in der Kleinstadt Handlova auf den nationalistischen und Kreml-nahen Regierungschef geschossen und ihn schwer verletzt. Fico musste sich nach dem Angriff zwei langen Operationen unterziehen und konnte sein Amt zwei Monate lang nicht ausüben.
Die Staatsanwaltschaft wirft Cintula einen Terroranschlag vor. Er habe verhindern wollen, dass die von Fico angeführte Regierungskoalition ihre Vorhaben umsetze. Die Prozessakten umfassen 18 Aktenordner mit insgesamt 6200 Seiten.
Seit Ficos Rückkehr ins Amt des Ministerpräsidenten 2023 fährt seine Regierung einen harten Kurs gegen Nichtregierungsorganisationen, Kultureinrichtungen und von ihr als „feindlich“ eingestufte Medien. Auch die Einschränkung von Rechten der LGBTQ-Gemeinschaft sorgte für Proteste in der Slowakei.
Cintulas Anwalt Namir Alyasry wies den von der Anklage erhobenen Vorwurf eines Terroranschlags vor Gericht zurück. Der 72-Jährige habe „ausschließlich“ Wut auf Fico empfunden und nicht auf die gesamte Regierung, sagte er.
Cintula selbst äußerte sich im Gerichtssaal nicht. Unmittelbar nach der Tat hatte er der Polizei gesagt, er protestiere gegen Maßnahmen der slowakischen Regierung, darunter die Einstellung der Militärhilfe für die von Russland angegriffene Ukraine.
Fico, der das Amt des Regierungschefs bereits zum vierten Mal bekleidet, hatte Cintula als ein „Produkt des Hasses“ und einen „von den Medien und der Opposition geschaffenen Attentäter“ bezeichnet.
Die Regierungskoalition habe versucht, das Attentat „zu ihrem Vorteil zu nutzen“, sagte der Politikexperte Grigorij Meseznikov der Nachrichtenagentur AFP. Sie habe versucht, die Tat „mit den Aktivitäten der Oppositionsparteien in Verbindung zu bringen, ohne dass es dafür Beweise oder Zeugenaussagen gab“.