Die Polizei geht weiter gegen mutmaßliche Reichsbürger vor. In Mecklenburg-Vorpommern gab es eine Razzia bei einem 54-Jährigen. Er soll die sogenannte Kaiserreichsgruppe unterstützt haben.
Bei einer Razzia im Reichsbürgermilieu ist im Landkreis Rostock das Haus eines 54 Jahre alten Mannes durchsucht worden. An dem Einsatz in Groß Wokern waren am Montagvormittag etwa 50 Beamte beteiligt, wie das Landeskriminalamt mitteilte. Darunter befanden sich auch Kräfte des Spezialeinsatzkommandos und der Bereitschaftspolizei.
Die Ermittlungen werden von der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg geleitet; auf Grundlage einer staatsvertraglichen Regelungen mit Mecklenburg-Vorpommern. Nach Angaben einer Sprecherin steht der 54-Jährige im Verdacht, eine terroristische Vereinigung unterstützt und sich bei der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens der Beihilfe schuldig gemacht zu haben. Dabei handele es sich um die sogenannte Kaiserreichsgruppe.
Autoritäre Regierung geplant
Die Gruppe soll sich den Angaben zufolge spätestens im Januar 2022 mit dem Ziel zusammengeschlossen haben, „die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland durch ein autoritär geprägtes Regierungssystem nach dem Vorbild der Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 zu ersetzen“, teilte die Generalstaatsanwaltschaft weiter mit.
Mit gezielten Sprengstoffanschlägen sollte die Energieversorgung der Bundesrepublik für mehrere Wochen unterbrochen werden, um die Bevölkerung von Informationen abzuschneiden und eine Reaktion der Sicherheitsbehörden auf den Umsturz zu erschweren. Zudem habe die Gruppe die gewaltsame Entführung des früheren Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) geplant.
54-Jähriger wollte Schießtrainings organisieren
Der beschuldigte 54-Jährige soll sich bereiterklärt haben, dabei mitzuwirken, die Pläne in die Tat umzusetzen. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft hatte er auch die Organisation eines Schießtrainings angeboten und an einem Gruppentreffen teilgenommen. Bei der Durchsuchung seien etwa 100 Asservate im Haus des Mannes sichergestellt worden, die nun untersucht und ausgewertet würden. Nähere Angaben zu Art und Inhalt der möglichen Beweisstücke macht die Behörde nicht.
Gegen weitere mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der „Kaiserreichsgruppe“ wurden und werden bundesweit Ermittlungs- und Strafverfahren beim Generalbundesanwalt und den Generalstaatsanwaltschaften anderer Bundesländer geführt.
Pegel: „Rechtsstaat schaut nicht weg“
„Die sichergestellten Beweismittel und Hinweise deuten auf ein gefährliches Eskalationspotenzial innerhalb der Szene hin. Wir nehmen diese Bedrohung sehr ernst“, betonte Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel. Er wertete den aktuellen Einsatz als Beleg für wachsames und konsequent Agieren der Sicherheitsbehörden.
„Die heutige Durchsuchungsaktion zeigt mit aller Deutlichkeit: Der Rechtsstaat schaut nicht weg, wenn seine Gegner versuchen, ihn zu untergraben. Wir handeln entschlossen, wenn Kräfte unsere Demokratie in Frage stellen“, sagte der SPD-Politiker. Er dankte allen eingesetzten Polizisten und Ermittlern für ihr professionelles und umsichtiges Vorgehen.
Rund 700 Anhänger der „Reichsbürger“-Szene in MV
„Reichsbürger“ lehnen die Bundesrepublik als Staat und ihre Behörden ab. Sie behaupten, dass das Deutsche Reich weiterhin bestehe. In Mecklenburg-Vorpommern geht der Verfassungsschutz in seinem Bericht für 2023 von knapp 700 Menschen aus, die dem Spektrum sogenannter Reichsbürger und Selbstverwalter zuzurechnen sind. Neuere Daten werden mit dem Bericht für 2024 erwartet, der in Kürze vorgelegt werden soll.
Wie Pegel bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes für 2023 erklärte, besteht die Szene „zu 75 Prozent aus unstrukturierten Einzelpersonen, die keiner Reichsbürgerorganisation angehören“. Dennoch seien Bemühungen der Szene zu spüren, sich stärker untereinander zu vernetzen, insbesondere über die sozialen Medien. „Durch die Verbreitung verschiedenster Verschwörungstheorien bestärken sich die Extremisten untereinander“, stellte Pegel fest.