Champions-League-Finale: In Paris liegen die Nerven blank – PSG will Geschichte schreiben

Dieses Mal soll es klappen: Paris Saint-Germain will den Pokal der Königsklasse gewinnen, zum ersten Mal. Wie die Fans dem Ereignis entgegenfiebern. 

Schon morgens um acht Uhr gibt es an diesem Freitag in der Bar-Tabac an der Place de Clichy nur ein Thema: Es ist der „J-1“, der Vortag des Champions-League-Finales, Paris Saint-Germain spielt in München gegen Inter Mailand. „PSG steht vor dem größten Abend seiner Fußballgeschichte“, sagt Franck und schiebt seine winzige Espresso-Tasse nervös auf dem Comptoir hin und her. „Das Spiel könnte alles verändern.“ Richtig, ergänzt sein Tresennachbar Claude. „Dieses Mal werden sie es packen. Und dann geht’s ab. Dann feiern wir wie 1998 bei der WM!“

Neuer Trainer für Paris Saint-Germain, mehr Teamgeist

Draußen wird es laut, die Müllabfuhr fährt vor, eine Truppe Straßenkehrer in neongelben Latzhosen kommt rein, fünf Café und eine Frage: „Wo gucken wir uns den Sieg an, Jungs?!“ Hinter dem Tresen zapft der Barmann neben Espresso nun auch schon das erste Bier, die Fußballexperten orakeln weiter. Trainer Luis Enrique habe eine gänzlich neue Mannschaft geformt, schwärmt Claude. Die Egos abgebaut, die jungen Talente gestärkt – dann muss er seinen Vortrag abbrechen, die anderen singen: „Ousmane! Dembélé!“ Zum zweiten Mal in seiner Geschichte steht PSG im Finale der Königsklasse. Es ist der entscheidende Titel, der dem ehrgeizigen Club noch fehlt. 

Paris Saint-Germain, die Stadt und die Fans: In den zurückliegenden Jahren war das nicht gerade eine leidenschaftliche Romanze. Wahre Fußballkultur finde man in Marseille, in Lens oder in Lyon – aber ganz bestimmt nicht in der Hauptstadt, heißt ein gängiges Vorurteil. Seitdem PSG 2011 von Katar übernommen wurde, gilt der Club als Symbol für millionenschweren Investorenfußball: Von nun an ging es darum, aus dem eher mittelmäßigen lokalen Verein eine Weltmarke zu machen. Stars wie Zlatan Ibrahimovic, Neymar, Messi oder Mbappé wurden eingekauft, ihre Strahlkraft sollte das Image des Emirats aufpolieren. Paris, die Hauptstadt der Freiheit und der Menschenrechte, werde in diesem Business zum Marketinginstrument degradiert, so die Kritik.   

„Die Pariser sind heute nur noch Erfolgsfans“, raunzt Nadia, die in der Bar-Tabac nun ebenfalls ihren Platz eingenommen hat. „Wenn PSG gewinnt, finden es alle super. Den Rest der Zeit interessieren sie sich nicht dafür. Und in der Banlieue können sich die Kids nicht mal ein Stadionticket leisten. Was sollen die mit diesem piekfeinen Club für Snobs?“ Es gebe keine Identifikation mit dem Verein, das sei das Hauptproblem von PSG: „Da gucke ich lieber Rugby.“ Doch Nadias Gesprächspartner sind nicht ganz einverstanden. „Es herrscht inzwischen wieder richtig gute Stimmung im Prinzenpark“, versichert Claude. Trainer Enrique, dabei bleibt er, habe in seinen knapp zwei Jahren bei PSG den Sportsgeist zurückgeholt. Und auch die organisierten Fans vom „CUP“, dem „Collectif Ultras Paris“, legten sich enorm ins Zeug.

Eine Banderole vor dem Eiffelturm

Einen ersten Eindruck wahrer Fan-Begeisterung gab es am 7. Mai. Die Pariser gewannen gegen Arsenal und zogen ins Champions-League-Finale ein: Autocorso auf den Champs-Élysées, leuchtend rote Bengalos in der Innenstadt – es war fast mehr los als an Silvester. Vergangenen Dienstag flatterte auf der Bir-Hakeim-Brücke vor dem funkelnden Eiffelturm eine gigantische Banderole für den Hauptstadtverein: „Geboren um zu glänzen, Paris wird erstrahlen!!!“. Ein kleiner Gruß der Ultras vor ihrer Abreise nach München. 

PSG X

Im Ausgehviertel Pigalle werden an diesem Freitag vor den britisch oder irisch geprägten Fußballkneipen ein paar zusätzliche Flachbildschirme verschraubt, heiß soll es werden, auch das Wetter. Straßenhändler verkaufen Fähnchen und Trikots von Donnarumma, Dembélé oder Barcola. Die Polizei bereitet sich währenddessen mit gigantischen Sicherheitsmaßnahmen auf das Ereignis vor: Rund 5400 Einsatzkräfte wurden mobilisiert, deutlich mehr als im Halbfinale. Fan-Zonen soll es in der Innenstadt nicht geben – dafür aber ein gigantisches Public Viewing im Prinzenparkstadion, in dessen Umgebung man die Fans so gut wie möglich einhegen möchte. 2020, als PSG das Champions-League-Finale mit 0:1 gegen die Bayern verlor, war es in der Stadt zu schweren Krawallen gekommen.

Dieses Mal wird alles anders: Das hofft man dieser Tage nicht nur am Tresen der Bar-Tabac. Der Sieg in München wäre ein nationales Ereignis. Nur ein französischer Club hat bisher die Champions League gewonnen, Marseille im Jahr 1993. Ausgerechnet der Rivale aus dem Süden, dem die Herzen der Fans nur so zufliegen. In Paris will man nun zeigen, dass man es ebenfalls schafft. Dass der Verein mehr ist als ein finanziell hochgerüstetes Prestigeobjekt der Katarer. 

Im Falle eines Sieges soll es kommenden Sonntag für die Mannschaft eine einstündige Parade auf den Champs-Élysées geben, danach eventuell ein Empfang beim Präsidenten Emmanuel Macron. „Wir wollen gewinnen und Geschichte schreiben“, sagt Claude an seinem Tresen. „Für PSG, für Paris und für ganz Frankreich.“ Damit dürfte er vielen Fans aus der Seele sprechen.