Als Staatsoberhaupt hat König Charles das kanadische Parlament in Ottawa eröffnet. Deutlicher als erwartet fiel die Rede als klares Signal an Donald Trump und seine Annexionsgelüste aus.
Politisch Einfluss zu üben, gehört ausdrücklich nicht zu den Aufgaben eines britischen Monarchen, ganz besonders nicht in seiner Funktion als Staatsoberhaupt eines der 14 souveränen Commonwealth-Staaten, wo man sich jegliche Einmischung aus Europa stets verbeten hatte. Doch seit einigen Monaten verhält es sich nahezu andersherum, besonders die Bürger Kanadas scheinen geradezu gehofft zu haben, dass Charles III. in seiner Thronrede zur Eröffnung des neugewählten Parlaments möglichst klare Ansagen tätigen würde. Grund für diesen Gesinnungswechsel sind offenkundig die Annexionsgelüste des US-Präsidenten. Donald Trump hatte seit Monaten bekundet, die nördlichen Nachbarn Grönland und Kanada den Vereinigten Staaten einverleiben zu wollen.
König Charles hielt erste Thronrede eines Monarchen seit 1957
Dass der immer noch an seiner Krebserkrankung laborierende 76-jährige Monarch diese Aufgabe wahrnimmt, ist bereits als klares Signal Richtung Washington oder wahlweise Mar-a-Lago zu verstehen. Seine Mutter und Vorgängerin Königin Elisabeth hatte nur zweimal eine Kronrede in Ottawa gehalten, zuletzt im Jahr 1957. Traditionell erledigt ein Generalgouverneur die hohe repräsentative Aufgabe als höchster Repräsentant der Krone. Seit 2021 hat Mary Simon das Amt inne.
Charles hatte bereits im März mehr oder weniger subtile Signale abgesetzt, im Garten des Buckingham Palace persönlich zum Spaten gegriffen und ein Ahorn gepflanzt, beim Besuch eines Flugzeugträgers blitzten demonstrativ seine kanadischen Orden vom königlichen Uniformrock. Kommentatoren hatten im Vorfeld erwartet, dass Charles es auch in seiner Rede bei solchen subtilen Andeutungen belassen würde. Sie sollten sich täuschen.
König Charles III. während seiner Rede am Mittwoch in Ottawa. Der Thron trägt noch die Initialen seiner Mutter Königin Elisabeth
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Die abwechselnd auf Englisch und in perfektem Französisch gehaltene und durchaus ergreifende Thronrede darf als historisch bezeichnet werden. Charles thematisierte außergewöhnlich deutlich die Krise mit dem nordamerikanischen Nachbarn, nahm durchgehend Bezug auf die anwesenden Chiefs der First Nation, betonte die Stärke Kanadas gerade aufgrund seiner Diversität. „Die Krone steht für die Einheit Kanadas, für seine Souveränität und Dynamik“, so der Monarch. Trotz seiner Verneigung sollte später am Tag ein Native Canadian die Versammlung mit lautstarkem Potest stören.
Auffällig auch die starke soziale Komponente in der Rede. „Kanada wird neue Allianzen schließen, die eine Wirtschaft ermöglichen, die allen Kanadiern dient“, sagte er, und betonte auch den Klimawandel. Ohne Trump zu erwähnen, zeichnete er ein Bild vom Charakter Kanadas, das unmissverständlich als Gegenmodell zum Trump-Amerika gemeint ist.
Erstaunlicherweise hat Donald Trump mit seinen tölpelhaften außenpolitischen Vorstößen, dem Einfluss Europas auf dem nordamerikanischen Kontinent ein Comeback beschert. Nicht nur Kanada besinnt sich von Neuem auf sein Königshaus, auch in Grönland, wo seit langem gänzliche Autonomie von der dänischen Krone angestrebt wurde, weiß man plötzlich die Verhaftung mit einer starken europäischen Nation zu schätzen.
Premier Mark Carney braucht dringend starke Verbündete
Die Wahl Mark Carneys zum Ministerpräsidenten Ende April war als deutliches Zeichen der kanadischen Wähler gegen Trumps infame Pläne gewertet worden. Der frühere Chef der Nationalbank war in den Umfragen lange zurück gelegen, sein Ruf als geschickter Krisenmanager und sein klares Bekenntnis zur Souveränität und auch wirtschaftlichen Unabhängigkeit von den USA soll für seine Wahl ausschlaggebend gewesen sein. Bei seinem Antrittsbesuch im Weißen Haus, wo Trump seine Avancen erneuerte, hatte er bereits klare Worte gefunden. „Kanada steht nicht zum Verkauf und wird nie zum Verkauf stehen.“
Premierminister Mark Carney beim Gespräch mit US-Präsident Donald Trump im Oval Office Anfang Mai: „Kanada steht nicht zum Verkauf“
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Am ersten Tag des königlichen Besuchs wiederholte Carney seinen Kampfeswillen, lobte die „historischen Bande“ zum Vereinigten Königreich, betonte die „Vitalität der konstitutionellen Monarchie, welche sich besonders in Krisenzeiten“ erweisen würde. König Charles war als Prince Of Wales bereits 19-mal nach Kanada gereist, seine Verbindung zur Bevölkerung gilt als eng. Dementsprechend euphorisch fiel das allgemeine Willkommen aus, um nicht zu sagen: demonstrativ herzlich. Charles und Camilla trafen nicht nur den Ministerpräsidenten und die Generalgouverneurin, sondern Repräsentanten der First Nations, Natan Obed und Cindy Woodhouse, sowie der indigenen Minderheit der Métis Victoria Pruden. Auch das Bad in der Menge fiel vergleichsweise lang und innig aus. Zur Rede im Parlament am Dienstag war das Königspaar in offener Kutsche und mit berittener Mounty-Garde über die Welington Street gekommen.
Neben Kanadas neuem Premierminister wurde der König auch von Cindy Woodhouse, Chief der First Nation, empfangen
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Dass Charles in seiner Thronrede nicht noch deutlicher wurde, liegt nicht nur an seinen konstitutionellen Beschränkungen. Der Monarch in heikler Mission ist in seinem Erstjob dem Vereinigten Königreich verpflichtet, wo man zurzeit sehr darauf angewiesen ist, es sich mit dem furiosen US-Präsidenten nicht zu verscherzen. Die Labour-Regierung unter Premierminister Keir Starmer ist darauf angewiesen, dass der Handelspakt mit USA hält und das wirtschaftlich angeschlagene Königreich von hohen Strafzöllen verschont bleibt.
Zweieinhalb Jahre nach seiner Thronbesteigung lässt sich sagen, dass Charles III. als König eine außergewöhnlich gute Figur abgibt. Die zahlreichen Prognosen, dass sich ein Land nach dem anderen von der britischen Krone lösen würde, sind nicht eingetroffen. Die ehemalige Kronkolonie Barbados sollte das bislang einzige bleiben, das sich aus der Monarchie verabschiedete. Nach der heutigen Rede wird das vermutlich auch lange so bleiben.