Meinung: Autos, Verkehr? Können wir am besten, dachte ich. Dann fuhr ich nach Gotland

Autobahn und gute Autos, dafür rühmt man Deutschland in der Welt. Auf einer Insel in Schweden zeigt sich allerdings: In Sachen Verkehr kommt es auf etwas ganz anderes an.

Ich bin ein Klischee. Und ich denke in Klischees. Zumindest, wenn es um Deutschland und Autos geht. Auf der Suche nach meinem ersten eigenen Gefährt waren für mich damals nur deutsche Modelle infrage gekommen. Mercedes, BMW, Audi oder VW. Von mir aus auch 30 Jahre alt. Egal. Und die deutsche Autobahn? Galt mir als der beste Streifen Asphalt der Welt.

Immer wenn ich in den Urlaub fuhr, suchte ich mir Bestätigung für meine Klischees, und irgendwann fand ich die dann auch: In den Bergen Albaniens, so stellte ich rasch fest, nutzt man standardmäßig die Gegenfahrbahn, um die Kurven zu schneiden. Skandal! In Italien braucht man kein Warnsignal von Parksensoren, den meisten reicht ein „Pong“, wenn die eigene Stoßstange den Nachbarn touchiert. In Frankreich blickte ich, wenn ich vor der Ampel stand, immer unruhig in den Rückspiegel – voller Angst, ob mir nicht jemand hinten drauf fahren würde, so spät bremste man dort ab. Fand ich zumindest. 

Neulich allerdings war ich in Schweden, auf Gotland, genauer gesagt, einer Insel mitten in der Ostsee. Das nordeuropäische Land gilt als eines der sichersten der Welt, wenn es um Verkehr geht. Auf Gotland, der größten schwedischen Insel, gab es 2024 keinen einzigen Verkehrstoten. Auch keinen Schwerverletzten. Gut, mag man sagen, die haben ja auch gerade mal 60.000 Einwohner. Allerdings kommen auf die Insel jährlich immerhin über eine Million Touristen, die auch Auto fahren. Ich war einer davon.

Während ich also mit meinem Mietwagen über die Insel fuhr, fiel mir auf, dass ich kein einziges Mal über die anderen Verkehrsteilnehmer fluchten musste. Oder fluchen wollte. Fahren die einfach besser hier? Ist das kühle nordische Art? Und färbt das ab?

Nicht Persönlichkeit macht den Unterschied, sondern die Politik in Schweden

Schnell wurde mir aber auch klar: Es sind nicht die Persönlichkeiten, die den Unterschied machen – es ist die Politik. Ich sah immer wieder Blitzer. Und die Bußgelder für Alkohol und Drogen hinterm Steuer sind immens noch. In allem merkt man: Es geht nicht darum, dass Menschen so schnell wie möglich von A nach B fahren, es geht darum, dass niemand dabei ums Leben kommt. Schon in den 1990ern hat Schweden dieses Ziel ausgegeben. 

Der Verkehr ist auf Sicherheit und Rücksicht ausgelegt. Und so fahren dann auch die Menschen: entspannt, umsichtig, vernünftig. Keine waghalsigen Überholmanöver auf der Landstraße, kein Rasen durch kleine Altstadtgässchen. Das Autofahren auf der Ferieninsel Gotland, es ist tatsächlich ein wenig wie: Ferien. Kein Stress. Viel Entspannung. 

Ich muss an Berlin, Frankfurt und Hamburg denken, Städte voller Autos, mit wütenden Fahrern darin, nebendran Radwege, die im Nirgendwo enden. An die Drängler auf der Autobahn, die mit 180 Lichthupe geben. An die Unfälle, die Toten auf den vermeintlich so sicheren Autobahnen.

Autofahren auf Gotland, das ist auch eine Lektion in Sachen Bescheidenheit. Oder auch eine in Sachen Hybris, meiner eigenen nämlich. In Sachen Auto sind wir Deutschen längst nicht mehr Weltmeister. Die Stromer der Chinesen sind günstiger, fahren weiter, sind moderner. Aber auch in der Verkehrspolitik könnten wir viel lernen.

Nach vier Tagen gebe ich glücklich und zufrieden den Mietwagen wieder ab. Danke Gotland! Wieder ein Klischee losgeworden.