„Maischberger“: Steinbrück zieht über die SPD her

Im ARD-Polittalk „Maischberger“ verurteilt Peer Steinbrück die Sozialdemokraten. Von Donald Trump ist der Ex-Finanzminister genervt. Aber mit Klingbeil hat er Mitleid.

Im Herbst ist es genau 20 Jahre her, dass der SPD-Mann und Hobby-Schachspieler Peer Steinbrück Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland wurde. Die Kanzlerin hieß damals Angela Merkel, Corona war nur als Name einer mäßig schmackhaften Biersorte bekannt und die deutsche Wirtschaft verzeichnete mit 0,9 Prozent Wachstum immerhin noch einen leichten Aufschwung.

Am Dienstagabend gab Steinbrück, der seit 2016 kein Mitglied des Bundestages mehr ist, bei Sandra Maischberger Auskunft darüber, was er von der neuen Regierungskoalition erwartet. Spoiler Alert: Es ging dabei ziemlich viel um Finanzminister Lars Klingbeil (SPD).

Ex-Finanzminister Steinbrück blockt persönliche Fragen ab

Zunächst aber griff die Moderatorin einen Vergleich auf, der immer wieder, zuletzt auch von SPD-Mitgliedern, genutzt wurde: Diese Koalition sei „keine Liebesheirat“, eher schon das, was man gemeinhin eine Vernunftehe nennt. Sandra Maischberger zu Peer Steinbrück: „Sie waren mit Angela Merkel in einer groben Koalition, war es am Ende Liebe?“ Dem 78-Jährigen huschte bei der Antwort nicht mal der Ansatz eines Lächelns übers Gesicht. „Der Begriff Liebe ist völlig deplatziert in diesem Zusammenhang“, polterte er, „wir sind doch keine Heiratsvermittler“.

Doch so leicht wollte sich die 2024 zur „Journalistin des Jahres“ ausgezeichnete Maischberger nicht abspeisen lassen und schob direkt eine Frage nach, die auf die Gefühlswelt von Steinbrück abzielte: „Wie groß ist ihr Vertrauen in Friedrich Merz?“, wollte sie wissen. Doch auch hier blockte Steinbrück ab: Das tue nichts zur Debatte: „Wir haben einen Kanzler und man kann sich keinen anderen backen“, sagte er.

Dann ging es um das viel diskutierte Thema Schuldenbremse: Nein, Merz habe seine Wähler nicht getäuscht, er habe nur „sehr spät gelernt“, dass er seine Haltung dazu ändern müsse, erklärte Steinbrück seine Sicht der Dinge. „Er hat es spät kapiert, dass er diese Mittel dringend braucht, aber ich bin sehr zufrieden, dass er es getan hat.“

Maischberger: „Finanzminister, ist das eigentlich ein Horrorjob?“

Sandra Maischberger zielte mit ihrer nächsten Frage erneut auf die persönliche Ebene: „Sie waren selber Finanzminister. Ist das eigentlich ein Horrorjob?“, fragte sie Steinbrück. Dieses Mal antwortete der Ex-Politiker ohne Stanzen: „Ja, das ist ein Feuerstuhl.“ In der Position brauche man jede Menge Konfliktbereitschaft, dürfe auch nicht vor „unpopulären Entscheidungen“ zurückschrecken. 

Was der ehemalige Finanzminister und Kanzlerkandidat von 2003 damit meint, hat er kürzlich in einem Papier konkretisiert, dass er als Mitglied der sogenannten „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ mit geschrieben hat: Gemeinsam mit dem langjährigen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, der Medienmanagerin Julia Jäkel und dem Ex-Minister Thomas de Maziére (CDU) geht es in 30 Vorschlägen darum, den Sozialstaat „strukturell handlungsfähiger und effektiver“ zu machen.

Wie das gehen soll? Etwa, indem man alle Ämter, die bislang für Sozialleistungen zuständig sind, in einem einzigen Ministerium zusammenfasst. Steinbrück wiederholte dabei sein Beispiel von der alleinerziehenden Mutter, die ihren Vater pflegt und bislang bei acht unterschiedlichen Stellen Anträge auf Unterstützung stellen muss.

Peer Steinbrück ist von der SPD und Trump genervt

Doch Maischberger wollte noch mal auf Lars Klingbeil zurückkommen. Die Redaktion spielte dazu den berühmt-berüchtigten Elon-Musk-Auftritt ein, bei dem der Tech-Milliardär und zeitweilige Berater von US-Präsident Trump auf großer Bühne eine Kettensäge schwingt, um damit den Bürokratieabbau in Amerika zu symbolisieren. „Kann man sich Lars Klingbeil mit einer Kettensäge vorstellen?“ wollte die Journalistin wissen. Steinbrück wirkte beinahe pikiert: „Nein, das ist schlechtes Theater. Elon Musk will die Demokratie abschaffen, wir wollen eine schlankere Demokratie“, sagte Steinbrück.

Klar sei: Der deutsche Sozialstaat sei „überkomplex“, müsse „effektiver und effizienter werden“. Hierzu zählten eine „bessere Verwaltung“, gerade auch im Digitalbereich: „Wir sind Kreisklasse im Vergleich zu skandinavischen und baltischen Staaten.“ Auf den Einwand, dass die SPD in den vergangenen Jahren mitregiert habe, ging Steinbrück nur kurz ein. Er sei froh, dass die Vorschläge der Initiative teilweise von der neuen Regierung aufgegriffen worden seien. Was aber nicht heiße, dass er ständig mit Merz oder Klingbeil telefoniere.

Und dann ging es erneut um Lars Klingbeil. Der wird von einigen SPD-Mitgliedern als „Architekt des Misserfolgs“ kritisiert. Die Tatsache, dass man auf 16,4 Prozent Wahlschlappe eine Karriere aufbauen kann, gefällt nicht allen. Peer Steinbrück nahm seinen Nachfolger jedoch in Schutz: Das schlechte Wahlergebnis sei nicht allein seine Verantwortung. Ob es die SPD wieder zu alter Volksparteigröße schaffe hänge vor allem davon ab, „ob sie wichtig von unwichtig unterscheiden kann“, so Steinbrück. „Man kann mit Minderheitsthemen keine Mehrheiten gewinnen“, schalt er seine ehemalige Partei und schob nach: „Das Cannabisgesetz halte ich für ziemlichen Murks.“ Bildung, innere Sicherheit, bezahlbares Wohnen – das seien „Kernangelegenheiten“ der Bürger, auf die sich die SPD konzentrieren müsse.

Von wem er gern weniger hören wurde, machte Steinbrück mit einer Anekdote deutlich und wurde dabei schließlich doch noch privat: „Fast jeden Morgen konfrontiert mich meine Frau mit den neuen Verrücktheiten von Trump“, plauderte Steinbrück aus. Er machte deutlich, dass er davon mittlerweile ziemlich genervt ist. In diesem Punkt ist der Ex-Minister also noch ganz nah dran am Bürger.